Fallout NV: Old World Blues
Tuesday, 22. October 2013
Update 18.06.2020: Nach einem erneuten Durchspielen wurde dieses Review überarbeitet und erweitert.
Old World Blues wurde als drittes Addon für Fallout New Vegas veröffentlicht, ist vom Levelinhalt und der Story aber als zweite Erweiterung nach Honest Hearts zu spielen.
Die in Old World Blues erzählte Geschichte ist selbst für Fallout-Verhältnisse absurd: Der Spielercharakter wird betäubt, nach Big MT verschleppt und dort von in Roboterkörpern steckenden fliegenden Gehirnen seiner Organe beraubt, inklusive seines Gehirns. Etwas geht schief, er überlebt, verbündet sich mit dem verrückten Think Tank, den die Gehirne bilden, gegen den bösen und ebenfalls wahnsinnigen Dr Mobius, natürlich auch ein fliegendes Riesengehirn. Er muss das tun um sein eigenes Gehirn wiederzubekommen, das zu Mobius entflohen ist. Ohne dem Organ ist keine Rückkehr in die Mojave möglich, da seine technische Alternative versagen würde.
Big MT ist eine große Kraterlandschaft mit vielen auf der Karte verteilten Orten, insbesondere Forschungsanlagen, aber auch Höhlen und verlassenen Gefangenenlagern. Die Orte sind verlassene Ruinen, in denen noch alte Sicherheitsroboter oder die hier erschaffenen Nightstalker und Cazadores leben. In der Kraterlandschaft selbst wird der Spieler von Mobius Roboterskorpionen und Roboterhunden angegriffen, dazu kommen die anderen Lobotomierten, Opfer des Think Tanks.
Ähnlich wie in Honest Hearts wird der Spieler auf einer starren Questreihe frei in die Landschaft entlassen. Dort sind nicht nur einige Nebenquests zu finden, welche den als Heim des Spieler fungierenden Ort The Sink erweitern, sondern es finden sich auch viele Hintergrundgeschichten. Während in Honest Hearts mit Terminals die Geschichte des alten Mannes in den Höhlen erzählt wurde, finden sich in Old World Blues Verweise auf einen anderen Courier, der eine Vergangenheit mit dem Spielercharakter zu haben scheint – was in Lonesome Road aufgelöst wird – und auf Elijah, den alten Meister von Veronica, dem Antagonisten in Dead Money.
Motivierend auch, dass die Erweiterung den Spieler ausgiebig mit interessanter Ausrüstung und Upgrades für den Spielercharakter belohnt. Schon durch die Hauptmission wird einiges gefunden, wie der Stealth-Anzug. Nicht nur sein futuristisches Design ist eine nette Abwechslung zu den üblicherweise abgewrackten Rüstungen des Hauptspiels, sondern er hat eine eingebaute Intelligenz. Die spricht mit dem Spieler, warnt z.B. vor anstürmenden Gegnern, hat aber auch ein paar Kommentare ähnlich wie die regulären Begleiter. Und im Kampf kann sie zudem Stimpaks verabreichen. Eine zweites Beispiel für ein nettes Fundstück ist eine gegen Roboter und Powerrüstungen effektive Laserwaffe, ähnlich dem versteckten Pulslaser im Hauptspiel, aber stärker. Äußerst praktisch, da der Großteil der Gegner in Big MT Roboterskorpione sind und die Munition für Standwardwaffen äußerst knapp wird.
Aber nicht immer macht das Erkunden der Erweiterung und das Sammeln der Fundstücke Spaß. Die Forschungseinrichtungen ähneln sich durchaus sehr, sie zu erkunden und die wenigen Gegnertypen zu bekämpfen kann eintönig werden. Besonders negativ fällt eine Mission auf, in der durch eine Nachbildung einer amerikanischen Schule gewandert werden muss, um drei Terminals zu aktivieren. Das ist eingebunden in die Hintergrundgeschichte des kommunistenhassenden Robotergehirns. Als einmaliger Durchlauf im Rahmen der Haupthandlung hätte das noch funktioniert. Aber nein, viermal soll das bewältigt werden, mit nur minimalen Gegnerunterschieden und immergleichen Tonaufnahmen. Das ist Spielzeitstreckung in schlechtester Form.
Auch The Sink, das als Spielerheim angelegt ist, hat einige Macken. In ihm gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Charaktere, die in die Einrichtungsgegenstände verpflanzt sind. Zum Beispiel der Toaster, der die Welt brennen sehen will. Sie alle sind mindestens kauzig und eher gar verrückt. Zur Aktivierung muss erst ihr KI-Modul gefunden werden, und für alle gibt es weitere Upgrades. Die wird der Spieler aber erst zum Ende der Erweiterung finden. Und danach sicher kaum zurückkehren – denn dafür müssen alle Begleiter entlassen werden. Was zu Spielbeginn der Erweiterung noch okay war, zerstört nach dem Storydurchlauf jede Nützlichkeit dieses Spielerheims.
Zudem schadet das Spielerheim als Ablenkung dem Abspann. In ihm wird nicht nur das weitere Schicksal der Kraterlandschaft und der Forschergehirne erzählt, sondern auch für jeden der KI-Einrichtungsgegenstände eine Zukunftsvision entworfen. Übertrieben, sind sie dem Spieler in der Kürze der Zeit doch kaum ans Herz gewachsen.
Das Ende hat aber auch so das Problem, dass es den Spielercharakter überbewertet. In Falloutspielen sind die Handlungen des Spielers immer wichtig, beeinflussen sie doch im Abspann stark die weitere Zukunft wichtiger Orte und Personen. Aber eben: beeinflussen. Wird die Quelle der Strahlung in einer Ortschaft nicht beseitigt mutieren die Anwohner, es geht um die Auswirkungen im großen Lauf der Dinge. In Old World Blues dagegen nimmt der Courier später eine aktive Rolle ein, was sich je nach Rollenspiel komplett mit dem Spielerbild des Charakters beißt.
Dass Old World Blues mir trotz der Macken viel besser gefiel als Honest Hearts liegt größtenteils am Humor, aber auch an der Intelligenz der Handlung. In beiden Addons wird man recht starr durch den Hauptquest geführt und dafür frei in eine Landschaft entlassen, also liegt da nicht der Unterschied. Es gibt zwar auch mehr zu entdecken, was das Herumlaufen in der Landschaft interessanter macht - aber das ist nicht alleine so viel besser, schon weil Zion so viel hübscher aussah als die arg graue Kraterlandschaft.
Aber wenn sich über Lautsprecherdurchsagen die verrückten Forschergehirne beschimpfen, wenn in den Gesprächen die an reale und fiktive Forscher angelehnten Gesprächspartner ihre absurden Vorstellungen erklären, dann noch eine Stealth-Rüstung sich beschwert, dass niemand sie beachte, ich mir Vorhaltungen meines Gehirns anhören muss, wie beschissen es behandelt werde… Old World Blues hat einen absolut absurden Humor, der über das übliche Fallout-Maß hinausgeht, der – wenn überhaupt – in den abseitigeren Begegnungen der Vorgängerspiele wie dem explodierenden Brückenwächter in pinker Robe angelegt ist. Das ist fast zu viel, fast zu absurd, aber es trägt dann doch unterhaltsam durch die Spielzeit.
Hinter dem Ganzen sind aber auch völlig ernste Themen versteckt. Die Verantwortung von Wissenschaft angesichts der Einbindung in die Kriegsvorbereitungen, die amerikanischen Internierungscamps, McCarthys Kommunistenhetze. Oder auch schlicht Sterblichkeit. Zudem viele weniger ernste, sondern schlicht nette Anspielungen auf alte Science-Fiction. So wie Fallout trotz allem schwarzen Humor immer auch eine ernste Dystopie im expliziten Gegensatz zur Fortschrittsgläubigkeit der 50er war, ist Old World Blues eine überdrehte Story mit einem sehr ähnlichen Wissenschaftsthema.
Es ist diese Mischung aus Humor und einer nicht völlig uninteressanten Geschichte, der Old World Blues zu einem wesentlich besseren Addon als Honest Hearts macht. Fliegende Gehirne und laserbewehrte Roboterskorpione entlarven die bibelzitierende Simpelstory des Vorgängeraddons als ziemlich langweilig.
onli blogging am : Fallout NV: Dead Money
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onli blogging am : 10 Jahre später: Fallout New Vegas
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