State of Mind
Monday, 25. April 2022
Dass State of Mind auf der Liste mir empfohlener Spiele auftauchte war keine Überraschung. Es ist ein Adventure im Cyberpunk-Genre – hat also thematisch riesige Überschneidungen mit dem von mir sehr geschätzten Deus Ex. Aber es ist eben ein Adventure, was nicht mein Lieblingsgenre ist. Das Spiel leidet daher bei mir besonders unter den Schwächen des Genres, aber es ist mehr als das: Spielerisch ist State of Mind selbst für ein Adventure arg dünn.
Nicht viel zur Handlung
Weil das Spiel also so sehr von seiner Story lebt – ähnlich wie Dreamfall Chapters – möchte ich hier am liebsten gar nichts über sie schreiben. Doch selbst die Steam-Beschreibungsseite verrät einiges vom Handlungsrahmen. Als Minimalversion: Richard Nolan ist ein Journalist und Regierungskritiker, der im Krankenhaus aufwacht. Seine Frau und sein Sohn sind nicht da. Ausgangspunkt für eine Geschichte um die Zukunft der Menschheit, die sich an den Transhumanismus-Themen des Scifi-Genres entlanghangeln wird.
Mehr zum Gameplay
Spielerisch ist das ganze ein 3D-Spiel mit Third-Person-Kamera, die sehr nah am Charakter angedockt ist. Die Spielfigur ist direkt zu steuern, der Spieler hat an einigen vom Spiel hervorgehobenen Objekten die Möglichkeit einen Beschreibungstext anzeigen zu lassen oder mit ihnen zu interagieren. Gespräche mit anderen Personen gibt es auch, in denen verschiedene Antwortoptionen ausgewählt werden können.
Eingeteilt ist das Spiel in verschiedene kleine Karten, z.B. Richards Wohnung, deren Ausgang direkt zu einem Berliner Platz führt. Manche der Gebiete besucht man öfter, andere nur einmal. In ihnen gibt es immer verschiedene Interaktionsmöglichkeiten. Interessant dabei, wie das Spiel vorwärts getragen wird – der Spieler kann manchmal recht frei seine weitere Handlung wählen, z.B. jemanden anrufen oder nicht, aber an anderen Stellen ist der Weg fest vorgegeben. Dann kommentiert der Spielercharakter entsprechend. Die Kombination funktioniert ganz gut und wenn mal die Führung fehlt ist in der Wohnung eine Pinnwand mit Hinweisen.
Aber bisher beschrieb ich nicht viel mehr Spielinhalt als mit Objekten und NPCs zu interagieren. Viel mehr ist leider tatsächlich nicht da. Manche der Interaktionen sind in ein Telefonmenü verpackt. Es gibt ein paar Rätsel, aber mehr gegen Ende des Spiels. An zwei Stellen sind Objekte abzuschießen, es gibt ein Minispiel bei dem Bildfragmente zusammengefügt werden müssen, ein Indizienauswahlspiel und manchmal muss adventuretypisch erst ein Objekt eingesammelt werden, um es an anderer Stelle benutzen zu können. Aber das sind Auflockerungen. Der Fokus liegt nicht auf den Spielelementen, sondern auf dem Fortschreiten der Story mit ihren Zwischensequenzen.
Zu Grafik, Sprechern und Eindruck
Daher liegt der Hauptfokus auf dem Erleben der Spielwelt und der Handlung. Beides führt zu Grafik und Sprechern. State of Mind hat einen speziellen Grafikstil, der sich Low-Poly nennt. Besonders die Charaktere und ihre Gesichter sind aus wenigen Platten zusammengesetzt, was sie verfremdet. Die Umgebungen wiederum sind nur leicht verfremdet, in manchen Sequenzen wirken sie realistisch. Ich habe mir gerade nach solchen Sequenzen gewünscht, dass die ganze Grafik auf einen gewöhnlicheren Stil wechselt, denn mir fiel es schwer die Polygoncharaktere als etwas positives wahrzunehmen. Was gewinnt das Spiel dadurch?
Immerhin sind die Charaktere der von mir gespielten englischen Version fantastisch gesprochen. Ohne Ausnahme passen die Sprecher und ihre Performance. Bei Richard Nolan ist das sogar die Stimme von Doug Cockle, dem Sprecher des Witchers Geralt. Aber auch Alexa Kahn als Lydia ist beeindruckend gut. Was das Spiel dadurch gewinnt ist klar, der starke Fokus auf die Story und Charaktere konnte bei der reduzierten Grafik nur mit tollen Sprechern gelingen.
Doch obwohl das gelungen ist bleibt die Story ein Problem. State of Mind arbeitet sich an vielen Themen ab, die Fans des Genres allesamt kennen. Klar, wer einen Zugang zu diesen Themen hat, aber nie Deus Ex gespielt, Otherland und Snow Crash nicht gelesen und auch keine Filme wie Ghost in the Shell geschaut hat, den wird State of Mind umhauen. Doch wer etwas vertrauter mit dieser Art von Science-Fiction ist, für den ist in der großen Handlung wenig neues.
Es gibt dann immer noch mehrere faszinierende kleine Momente. Gerade bei der Handlung um Lydia herum gibt es eine beeindruckende Szene, die sie als VR-Camgirl zeigt. Auch bei der Beschreibung einer Affäre sind ein paar nahegehende Szenen dabei. Das Hineinversetzen in die Schicksale der Charaktere ist bei aller Vertrautheit mit den Handlungsklischees zum Trotz generell mitreißend. Und die Handlung gibt dem Spiel – Grafikstil zum Trotz? – ein paar Gelegenheiten für eindrucksvolle Szenen surrealer Zukunftsarchitektur, dystopischen Cyberpunkszenen und real wirkenden urbanen Umgebungen.
Fazit
State of Mind würde ich empfehlen, aber nur vorsichtig und mit vielen Einschränkungen. Man muss das Cyerpunk-Genre mögen und an ihm nicht übersatt sein. Man muss sich auf ein Spiel der Story wegen einlassen können, weil dieses Spiel schlicht nicht viele Spielelemente hat. Adventures und den Grafikstil nicht zu hassen hilft sicher auch.
Schließlich darf man selbst im Vergleich nur mit anderen Adventures nicht zu streng sein, sonst treten die Schwächen zu stark hervor – beispielsweise hat auch State of Mind Entscheidungen, aber nicht annähernd mit dem Spiel der Konsequenzen eines Life is Strange und ermöglicht es nur minimales Rollenspiel, weil z.B. der Charakter von Richard als Unsympath trotz verschiedener Antwortmöglichkeiten in den Gesprächen kaum beeinflusst werden kann. Im Vergleich zu Fahrenheit: Indigo Prophecy als zweites und letztes Beispiel fehlt schlicht die Ambition, die der alte Genrevertreter mit seinem Filmansatz hatte, sowie ein damals durch die Quicktime-Events gestiftetes Kernspielelement.
Trotz all dieser Einschränkungen unterhält das Spiel ordentlich für etwa 8 bis 9 Stunden, was angemessen kurz ist.
Letzte Chance: Ukraine-Humblebundle
Thursday, 24. March 2022
Das erst kürzlich gestartete "Stand With Ukraine"-Humblebundle endet bereits bald. 125 Items sind darin, darunter vor allem ein paar interessante Spiele wie Metro Exodus.
Einiges davon war noch nicht in meiner Spielesammlung, die ja doch schon einige andere Spielebündel gesehen hat.
Das Angebot läuft noch etwas mehr als 24 Stunden. Über 14 Millionen Euro wurden bereits eingenommen, 100% davon sollen an vier Hilfsorganisationen gehen: Razom for Ukraine, International Rescue Committee (IRC), International Medical Corps und Direct Relief.
Über Hype bei Spielen auf GamersGlobal
Monday, 14. March 2022
Wer möchte kann einen Artikel von mir bei GamersGlobal lesen:
Hype, Spieletests und Immersion
…
Wenn Entwickler und Publisher ihre neuen Spiele bewerben, geschieht dies nicht selten mit dem Versprechen "vollständiger Immersion". In der Praxis ist diese aber extrem schwer zu erreichen. Wenn der Hype um ein Spiel maßgeblich auf dieser versprochenen Immersion aufgebaut wird, dann kann das Ergebnis fast nur enttäuschen. Das Spiel muss dann in anderen Bereichen umso hervorragender sein und die unweigerlich unbefriedigende Immersion durch Spielmechanik und Spielspaß aufwiegen, sonst droht der Mega-Shitstorm. Zusätzlich befeuert wird der typische "auf Hype folgt Gegenhype"-Effekt durch umfangreiche Previews und Spieletests, die nicht selten das Immersionsversprechen noch befeuern. Welche unterschiedlichen Auswirkungen dies haben kann, möchte ich an einigen Beispielen wie Cyberpunk 2077 und Elden Ring zeigen.
Ich fand er passte dort besser als hier im Blog. Aber erwähnt wollte ich ihn hier auch haben :)
Phantom Doctrine, ein XCOM ohne Aliens
Monday, 14. March 2022
Phantom Doctrine übernimmt viele Elemente aus der XCOM-Reihe, hat aber ein ganz anderes Setting und viele eigene Ideen. Die meisten davon sind spaßig, aber was an dem Spiel nicht funktioniert ist fast interessanter.
Verschwörung im Kalten Krieg
Erstmal zum Szenario: Es ist kalter Krieg. Wahlweise auf Seiten der UdSSR oder der USA steht man am Kopf einer Mini-Geheimorganisation, die in den Sog einer größeren Verschwörung gerät.
Das spielt sich stark wie das XCOM-Vorbild. Es gibt eine ausbaubare Basis. In ihr können auch neue Geheimagenten rekrutiert, ausgerüstet und verbessert werden. Diese Agenten übernehmen entweder Aufgaben in der Basis (wie, wichtig, das Herstellen von Falschgeld) oder reisen auf der Weltkarte umher, um dort auf Aktionen der Gegner zu reagieren. Die wollen dann zum Beispiel einen Informanten ermorden, sind genug eigene Agenten in der Nähe, können sie dies per Knopfdruck und investierter Zeit verhindern. Reicht die Zeit nicht oder soll eine feindliche Zelle ausgehoben werden bleibt nur der Angriff. Dafür wechselt das Spiel von der Weltkarte auf das jeweilige Missionsgebiet und dabei in den Rundenkampfmodus.
Auch dieser Rundenkampfmodus ist erstmal nicht groß anders als bei XCOM. Agenten haben Bewegungs- und Angriffsaktionen, wobei manche Aktionen den Zug des Agenten direkt beenden. Die Umgebung kann als Deckung dienen, Deckung ist je nach Höhe entweder halb oder vollständig und schützt dann weniger oder mehr. Anfangs wissen die Feinde nicht dass man dort ist, erst beim direkten Feindkontakt beginnt ein Gefecht. Natürlich gibt es unterschiedliche Waffen und haben die Agenten unterschiedliche Fähigkeiten, gleiches gilt für die Gegnertypen. Dazu gehört das Überwachen eines Bereiches, in dem dann Bewegungen des Gegners in seinem Zug einen Schuss auslösen. Ein typisches Missionsziel wäre das Erledigen aller Gegner oder, je nach Missionstyp, das Platzieren oder Entschärfen von Bomben.
Viele Unterschiede, mehr als im Detail
Was gerade beim Rundenkampfmodus erstmal sehr ähnlich wie das offensichtliche Vorbild klingt ist dann durch geschickte Unterschiede doch ganz anders.
Fast alle Missionen lassen sich ohne ein offenes Gefecht lösen. Die Gegner haben Sichtkegel, bleibt man ihnen fern wird man nicht erkannt. Ein offener Schuss würde das Gefecht immer auslösen, aber ein unbeobachteter und schallgedämpfter nicht, zudem haben alle Agenten die Möglichkeit Feinde lautlos umzuhauen. Das Ergebnis: Mehr als ein Rundenkampfspiel ist Phantom Doctrine ein Rundenschleichspiel, in dem man versucht die Missionen ungesehen zu erledigen. Denn Phantom Doctrine bestraft den offenen Kampf: Feindliche Verstärkung rückt nach der Entdeckung alle 6 Runden an, alternativ erfolgt gar ein Luftangriff. Kämpfe erhöhen den individuellen Gefährdungslevel der Agenten, ist er auf Maximum senkt er sich nicht mehr, ist zudem seine Identität kompromittiert und Feinde werden ihm auflauern. Nichts, was ein neuer Pass nicht reparieren kann, aber ein starker Anreiz das Schleichen zumindest zu priorisieren. So ist es zudem auch einfacher, ohne Zeitdruck beim Erledigen der Mission herumliegende Geheimdokumente abzufotografieren und Ausrüstung aufzusammeln.
Die Kämpfe selbst wirken auch anders weil Schüsse immer treffen. Was sich unterscheidet ist nur wieviel Schaden angerichtet wird, was von der Deckung bzw vom Wahrnehmungszähler abhängt. Beschuss reduziert erstmal nur Wahrnehmung mit etwas Schaden als Nebeneffekt, erst ohne Wahrnehmung wird Schaden voll vom Leben abgezogen, wobei dann noch die Deckung sich auswirken muss. Das ist ungewohnt, aber bei eigenen Angriffen der Ungewissheit des Zufallsgenerators nicht ausgeliefert zu sein ist auch angenehm. Alle Gegner haben ebenfalls Wahrnehmung, aber nur bei feindliche Agenten ist sie schon vor Gefechtsbeginn auf Maximum – was schlicht bedeutet, dass feindliche Agenten beim Schleichen nicht heimlich erschossen, sondern nur umgehauen werden können (was auf höheren Schwierigkeitsgraden nur geht, wenn der eigene Agent mehr Leben hat, immer aber eigene Wahrnehmung kostet).
Auch auf der Weltkarte und beim Basisbau ist das Spiel keine direkte Kopie. Die Basis kennt zwar Upgrades, aber die werden einfach aus einer Liste ausgewählt, brauchen keine Energie und keinen freien Raum, nur Geld. Die Basis lebt aber auch sehr viel weniger, denn es gibt keine mit einem sprechenden Abteilungsleiter, die Menüs sind also weniger schön verpackt. Immerhin, das Aussehen der Agenten ist anpassbar und ihre Werte werden durch Doping verbessert, was teils sich heftig auswirkt durch mehr Bewegungs- und Aktionspunkte. Und was auf der Weltkarte passiert ist natürlich deutlich anders, schon weil keine Kontinente unter die eigene Kontrolle gebracht werden müssen, sondern verschiedene Geheimdiensttätigkeiten der Feinde vereitelt. Im Grunde verteilt man eigene Agenten in den Städten der Welt, die dann bei Bedarf in andere Städte reisen.
Erweiterte Mechaniken
Dazu kommen einige eigenständige Spielmechaniken, die oft vom Szenario motiviert sind.
Für die zwei in den Kämpfen gilt das weniger. Stehen mehrere Agenten vor einem Raum, können sie ihn stürmen und erledigen dann darin die Gegner. Mit schallgedämpften Waffen wird so nichtmal Alarm ausgelöst, auch Überwachungsreaktionen werden verhindert. Das wird selten gebraucht, ist aber ganz angenehm. Gleiches gilt für die strategischen Aktionen wie dem außerhalb des Missionsgebietes platzierbaren Scharfschützen, der gegen Strategiepunkte einzelne Gegner ausschalten kann. Voraussetzung dabei, dass vorher mit einer Weltkartenaktion das Missionsgebiet ausgekundschaftet wurde, was etwas Zeit kostet.
Außerhalb der Rundenkämpfe sind die Szenariobezüge stärker. So hat auch die Basis einen Bedrohungszähler. Ist er voll, wird die Basis gestürmt (was leider nur ein Textboxevent ist), wodurch Agenten verlorengehen können und die Basis verlegt werden muss. Besser vorher selbst die Basis verlegen, was Geld kostet, aber den Bedrohungszähler wieder reduziert. Erfolgreiche feindliche Aktionen auf der Weltkarte können ihn erhöhen, dann führt der Gegner eine Erkundungsmission in einem Ort auf der Weltkarte durch. Werden vorher dort Agenten hingeschickt können sie das verhindern. Aber auch manche eigene Aktionen wie das Rekrutieren neuer Agenten erhöht die Gefahr.
Die Loyalität eigener Agenten ist dabei nichtmal gewährleistet. Sie könnten Schläferagenten sein, die einem beim nächsten Gefecht verraten und direkt die Seite wechseln werden. Eine Gehirnwäsche in der späteren MK-Ultra-Basiserweiterung behebt dieses Problem, kostet aber Geld. Auch feindlichen Agenten (die man in den Missionen ja umhauen und dann mit evakuieren kann) können so Gehirngewaschen werden, trifft man sie dann später wieder reicht eine Aktion und sie dienen dauerhaft der eigenen Sache. Oder alternativ kann man sie auch als Saboteur losschicken, wenn sie eine feindliche Basis erreichen wird sie zerstört, überleben tut der Agent das dann aber nicht.
Immer aber sollte man feindliche Agenten verhören. Das kann mehrere Dinge freischalten: Bislang unbekannte Perks eigener Agenten, die Identität feindlicher Agenten, den Standort von dann zerstörbaren Feindeszellen, mögliche neue Rekruten und vor allem Geheimdokumente. Die landen mit den anderen auf den Investigativtafeln. Diese zu lösen ist immer mal wieder auch die Hauptmission. Die Dokumente haben entweder sofort sichtbare Stichwörter, oder sie müssen in Texten erst markiert werden. Dann können die mit gleichem Stichwort verbunden werden. Es geht dabei immer darum, einen Ort oder eine Person einem gegebenen Startcodewort zuzuordnen, was dann beispielsweise den Standort einer feindlichen Hauptbasis verrät.
Ähnlich ist der Effekt von Informanten. Immer wieder signalisieren Orte auf der Weltkarte verdächtige Aktionen. Schickt man einen Agenten dorthin ist an dem Ort meist einfach ein Informant, der nach einer Weile auch Informationen wie Geheimdokumente preisgeben wird. Manchmal muss er, wie oben erwähnt, vor feindlichen Aktionen geschützt werden. Ultimativ dient das primär dem Füllen der Investigativtafeln.
Viel verschenktes Potential
Die Investigativtafeln sind ein gutes Beispiel für die Schwäche von Phantom Doctrine. Sie sind toll gemacht und machen Spaß – am Anfang. Da sich die Stichwörter immer wiederholen und es immer neue Geheimdokumentsammlungen gibt, wird sie zu lösen mit der Zeit nervig. Zum Glück kann man das mit ein paar Basisupgrades automatisieren, das bindet dann aber bis zu vier Agenten und ist nicht gerade schnell. Mir schien es sogar langsamer zu sein als durch fleißiges Verhören von Feindagenten neue Informationen ankommen, ich musste also immer wieder doch manuell die Verbindungen herstellen. Mir war das nie zu frustrierend, aber gelungenes Spieldesign ist das auch nicht.
An vielen Stellen merkt man, dass Phantom Doctrine mit begrenzten Mitteln umgesetzt wurde. So wiederholen sich die kleinen Zwischensequenzen dauernd, beispielsweise wenn das Fluchtauto am Missionsgebiet ankommt. Die Zwischensequenz an sich ist nett und lockert das Geschehen auf, aber weil es immer die gleiche ist wird sie später eher nervig. Bei Agenten kann aus einer Handvoll Sprecher ausgewählt werden, gleichzeitig ihrem Charakter, was ändert wie sie Befehle kommentieren. Eine Handvoll (immer englischer) Sprecher ist nicht ansatzweise genug für alle, viele klingen also gleich. Agenten haben Portraits, ihr Aussehen ähnelt dem aber selten sehr, gerade bei den Frauen fehlte da wohl Feintuning. Bei denen ist auch noch die Kleidung feindlicher Agenten immer gleich. Man kann da jeweils manuell nachbessern, aber das ist etwas mühsam, und selbst bei diesen Anpassungsoption fehlt Auswahl.
Ähnliches gilt leider auch für die Rundenkämpfe selbst. Die Einsatzorte wiederholen sich häufig - damit meine ich nichtmal den Charakter der Städte, die unterscheiden sich leider sogar gar nicht. Nein, außerhalb der Hauptmissionen laufen beispielsweise die Angriffe auf feindliche Zellen gefühlt auf einer Handvoll von Karten ab. Kleinere Variationen gibt es immer, trotzdem ist das repetitiv. Da hilft es nicht, dass die Ziele meist die gleichen sind – nur manche Missionen müssen wirklich bestritten werden. Andere, wie das Schützen von Informanten, kann auch eine Aktion auf der Weltkarte ohne Wechsel in den Rundenkampfmodus zeiteffizienter bewirken, wodurch ich diesen Missionstyp nur selten erlebte.
Selbst den Schleichfokus sehe ich als Problem. Besonders er macht aus Phantom Doctrine ein eigenständiges Spiel und ist ein großer Unterschied zu XCOM, was an sich toll ist. Aber es gibt zu wenige Missionen, die das Kämpfen erfordern – und warum rüstet man seine Agenten immer weiter mit besseren Waffen aus, wenn man die gewonnene Kampfststärke nur so selten nutzen kann? Das gilt mehr noch beim einfachen Schwierigkeitsgrad, den das Spiel neuen Spielern empfiehlt, in dem die Beschränkungen fürs heimliche Umhauen wegfallen. So zählt bei den Waffen fast nur das Upgrade der schallgedämpften Pistole, damit ein Schuss den Gegner direkt ausschaltet, wodurch der Alarm ausbleibt. Klar, man könnte entscheiden die Missionen mit Gewalt statt Heimlichkeit zu lösen, aber dann brauchen sie länger, droht die feindliche Verstärkung und steigt das Gefährdungslevel der Agenten.
Dann lieber heimlich, wobei heimliches Bewegen durch die Missionsgebiete am besten von verkleideten Agenten übernommen wird. Die können (außer durch beobachtete eigene Aktionen) nur von Agenten enttarnt werden, mit dem Schauspielerperk passiert dann sogar das nur selten. Ich habe meistens doch alle meiner Agenten versucht zu nutzen, um die Mission schnellstmöglich zu erledigen. Aber das war wahrscheinlich kontraproduktiv, weil ich dann immer mal wieder Neuladen musste wenn einer meiner Agenten entdeckt wurde. Sicherer wäre es, die anderen Agenten an ihrer Startstelle stehen zu lassen, was ja wohl nicht im Sinne des Erfinders sein kann. Generell ist das eines der Hauptprobleme: Es wäre schön, wenn es einfach okay wäre nach einer Weile enttarnt zu werden um dann die Gefechte außerhalb der wenigen Hauptmissionen erleben zu können. Weniger Schnellladen, mehr Spielen im Flow. Aber das muss das Spieldesign unterstützen, damit es nicht mit zu sehr mit dem Perfektionismus kollidiert, Phantom Doctrine patzt hier leider.
Dem Entwickler sind einige der Probleme bewusst. Es gibt eine ziemlich interessante GDC-Präsentation zu gelungenen und gescheiterten Designentscheidungen des Spiels auf Youtube:
Auf Slideshare gibt es ein Folienset eines Post-Mortem mit noch etwas mehr Lektionen. Die beschriebenen Edgecases bezüglich der Schüsse durch Wände haben mich weniger gestört, das weite Sichtfeld um Hindernisse dagegen war mir positiv aufgefallen, mit dem Kampfsystem ohne Zufallsgenerator kam ich ganz gut zurecht. Aber nach Spielen des Spiels kann man viel der Kritik und Reflexion nachvollziehen.
Probleme unter Linux
Das Spiel funktioniert nicht einwandfrei mit Proton, es gibt keine Linuxversion. Um es auch nur starten zu können brauchte es bei mir mit Proton-7.2-GE-2 Startparameter, nämlich:
PROTON_NO_ESYNC=1 taskset -c 0-15 %command%
Danach lief das Spiel selbst flüssig und stabil, aber die Haupt-Zwischensequenzen (also nicht die in Spielgrafik, sondern die gezeichneten) wurden nicht abgespielt. Die sind leider nicht ganz unwichtig, erzählen sie doch den Storyhergang weiter. Das Spiel erklärt fast alles nochmal in Texten im Ladebildschirm, aber ideal ist das nicht.
Mittlerweile gibt es einen Report in der ProtonDB, der die Installation von mf-install beschreibt. Ich habe das getestet. Es mussten ein paar fehlende Verzeichnisse angelegt werden, damit die Installation durchlief. Dann nochmal ein Ordner und eine Datei erstellt werden, damit Steam das Spiel wieder starten konnte. Tatsächlich liefen danach die Videosequenzen. Die momentane Gold-Bewertung ist angesichts dieser nötigen Nachbesserung aber ein Fehler.
Fazit: Mehr als spielbar, nur nicht perfekt
Selbst mit den Linuxproblemen ist Phantom Doctrine am Ende kein schlechtes Spiel. Es ist mehr eins mit verschenktem Potential, ein gutes Spiel mit ein paar Nervfaktoren, das ein hervorragendes hätte sein können. So bleibt beeindruckend, wieviele der Spielmechaniken gut ineinandergreifen. Und trotz aller Nervfaktoren – das Spiel unterhält durchaus bis zum Ende, weil das Fortschrittsgefühl nie ganz weggeht und mich zumindest die Auflösung der Hauptstory interessiert hat. Das ist ein ziemlicher Gegensatz zum kürzlich von mir gespielten King's Bounty: Warriors of the North, das noch vor der Hälfte der Spielzeit in sich zusammenbrach. Dabei ist Phantom Doctrine nichtmal kurz, 44 Stunden verbrachte ich laut Steam im Spiel, was circa 40 Stunden echter Spielzeit entsprechen müsste.
Vor allem aber ist Phantom Doctrine eine Anlehnung an XCOM, die eine alternative Weiterentwicklung dieser Spielereihe ausprobiert. Während XCOM 2 mit Zeitlimits, generell mit Spannung und einer besserer Inszenierung den Vorgänger verbesserte, zeigt Phantom Doctrine einen möglichen Pfad mit einem Fokus auf Agententätigkeiten und Heimlichkeit, was durchaus auch eine Option für die Vorbildreihe wäre. Das ist interessant zu sehen und meist ja auch spaßig zu spielen, selbst wenn wie oben ausführlich beschrieben nicht alle Experimente wirklich funktionieren.
Far Cry 2 war tatsächlich voller Macken
Monday, 7. March 2022
Dem Titel zum Trotz sind viele Elemente von Far Cry 2 ziemlich toll. Aber sie sind nicht zu einem guten Spiel zusammengepackt. Das Ergebnis ist frustrierend.
Ein Beginn als Auftragsmörder
In FC2 wählt der Spieler anfangs einen Charakter aus, was aber später ziemlich bedeutungslos ist. Dann geht es auch schon los: Gerade in einem afrikanischen Land angekommen um den Waffenhändler Jackal zu ermorden, kippt der Charakter um und ist fortan mit Malaria erkrankt. Ein Gespräch vom Krankenbett mit dem Jackal später kippt der Charakter nochmal um, diesmal aufgrund einer Schießerei zwischen verfeindeten Fraktionen mit ihm in der Mitte. Eine davon rettet ihn, woraufhin der Spieler den Rest des Spiels über verschiedene Missionen für die beiden Fraktionen erledigen wird.
Diese Missionen sind fast alle spielerisch sehr ähnlich. FC2 spielt auf zwei großen Karten, in denen es verschiedene Afrikabiotope wie Dschungel und Wüsten gibt. In der Mitte ist eine Stadt, dort herrscht nach dem Gefecht aus dem Intro Waffenstillstand, beide Fraktionen haben da einen Hauptsitz. Als Spieler betritt man eines der beiden Häuser, lauscht einem Gespräch, nimmt die Mission und ein paar Diamanten als Bezahlung entgegen. Dann gilt es sich ein Auto zu schnappen und zum Zielort zu fahren. Am Zielort gibt es immer einige Gegner und meist muss eine Zielperson getötet oder etwas zerstört werden.
Statt die Aufträge wie beschrieben zu erledigen kann man auch der Alternativmission folgen. Es gibt noch andere Akteure, ein paar davon sieht man regelmäßig. Auf beiden Karten ruft immer einer der beiden Kameraden nach dem Missionsstart an und schlägt eine alternative Lösung vor. Ein Beispiel: Statt einen Waffenhändler auf einem Schiff anzugreifen, fahre zu einem Stützpunkt und hole einen Zünder, mit dem und einer Bombe kann dann eine Brücke über dem Schiff gesprengt und der Händler so getötet werden. Dann gibt es zur Belohnung auch noch Upgrades der Spielerunterschlüpfe, wie fortan dort verfügbare Munition. Die anderen Kameraden haben weniger Missionen, helfen aber im Spielverlauf: Hat man durch eine Nebenmission ihre Zuneigung, wirken sie als Extraleben. Geht der Spielercharakter im Bleihagel zu Boden, erscheinen sie aus dem Nichts, beleben ihn wieder und helfen beim Feuergefecht.
Richtig schlecht sieht das Spiel dabei nie aus. Klar, es ist angestaubt, aber ignoriert man ein paar Grafikfehler ist die Engine für seine Zeit echt hübsch. Wobei die Farben arg matt sind, selbst am Tag ist das Spiel meist braun, in der Nacht dunkelgrau. Das stört aber nach einer Weile weniger und wäre durch Mods reparierbar.
FC2 ist dabei spielerisch ein Egoshooter, wenn man nicht gerade in einem Auto sitzt, wobei die meisten davon ebenfalls Waffen haben. Machete, Kleinwaffe, Primärwaffe und eine Spezialwaffe schleppt der Spielercharakter mit sich herum. Die Waffen können ausgewechselt werden, einmal mit der Ausrüstung der Gegner, besser mit für Diamanten gekauften Alternativen (die dauerhaft freigeschaltet bleiben). Die Waffen aus dem Shop sind besser, denn neue Waffen haben erstmal keine Fehlfunktionen, die umständlich durch Drücken des Nachladenknopfes repariert werden müssen und die mitten im Gefecht natürlich oft tödlich sind.
Unfassbare Macken
Funktionieren die Waffen liefern sie gute Gefechte gegen die Soldaten. Die Soldaten sind in den regulären Gefechten nicht allzu blöd, sie flanken den Spieler und beharken ihn auch mal aus der Ferne mit einem Scharfschützengewehr. Sie halten viel weniger aus als er, aber gegen sie zu sterben ist durchaus möglich. Dazu sind die Waffen hübsch variiert und teils sehr gut gemacht, sodass beispielsweise die Schrotflinte eben nicht nur für kürzeste Entfernungen zu gebrauchen ist. Wo also ist das Problem?
Das Problem ist: Alles außer den Autos und den konkreten Schusswechseln ist bei Far Cry 2 komplett gestört. FC2 ist kein Topspiel, kein würdiger Nachfolger des (in der ersten Hälfte) großartigen ersten Teils. Es spielt sich wie ein nie fertiggestellter Early-Access-Titel.
Sobald man die Stadt mit ihrem Waffenstillstand verlässt greift jeder Charakter den Spieler sofort an. Es gibt außer den Kameraden und ein paar Statisten in speziellen Missionen keine Freunde in diesem Land, nur feindliche Soldaten. Selbst die Mitglieder der eigenen Fraktion (wobei deren Mitglieder nicht unterscheidbar sind) – also der, für die man gerade eine Mission erledigt – eröffnen sofort das Feuer. Das wird richtig lächerlich, wenn man in einem Jeep mit Maschinengewehrturm sitzt, ein Schrottwagen ankommt und da gemächlich ein einzelner feindlicher Soldat aussteigt und das Gewehr anlegt. Im nächsten Moment ist dieser Gegner dann auch schon vom Spieler umgenietet worden, der Wechsel vom Steuer zum Maschinengewehr braucht nur einen kurzen Moment, aber die Verblüffung über dieses absurde Spieldesign hält länger an.
Diese unbegrenzte Feindseligkeit bedeutet, dass die überall auf der Karte verteilten Straßenblockaden jedes mal von feindlichen Soldaten geräumt werden müssen. Ja, man kann versuchen da einfach durchzufahren, aber erstens tut das Gegnergewehrfeuer ziemlich weh, zweitens steigen die Soldaten immer in alle verfügbare Autos und verfolgen den Spieler, sodass man sie dann aus den Wagen schießen muss. Was meist kein Problem ist, aber Zeit frisst. Wäre es nur das eine mal, dann ginge das ja noch – aber die Gegner respawnen direkt wieder. Ist direkt vor der Mission eine gegnerische Station, sind dort auf dem Hinweg Gegner und auf dem Rückweg direkt wieder, selbst wenn nur zwei Minuten vergangen sind. Bitte richtig verstehen: Das ist nicht an die Mission gebunden. Sobald man einen Ort gesäubert hat und einen Moment nicht dort war, werden bei der Rückkehr wieder neue Gegner da sein.
Eine echte Schnellreisefunktion würde dieses Problem entschärfen, die hat FC2 aber nicht. Stattdessen gibt es wenige Busstationen. Tatsächlich helfen die etwas, weil sich mit ihnen ein paar Fahrten vermeiden lassen. Komplett stumpfsinnig bleiben die Respawngegner aber trotzdem.
Als wären das nicht genug Nervfaktor gewesen, wirft das Spiel noch mehr nervige Beschäftigungstherapie in den Mix. Die regelmäßig benötigten Malariamedikamente muss der Spieler sich in einem immergleichen Missionstyp verdienen, bei dem er erst an einem Ort Reisedokumente abholen muss, dann zu einem anderen fahren (-> Gegner auf Weg erledigen), dort ein paar Gegner töten und dann die Dokumente übergeben muss. Zusätzlich könnte man noch für die Waffenhändler einen Konvoi zerstören, was mehr Waffen früher freischaltet, oder an einem Antennenmast für ein paar Diamanten einen Auftragsmord annehmen.
Die Hauptmissionen sind etwas besser, aber auch sie folgen meist dem gleichen Schema, wie oben beschrieben. Zudem ist das Handeln der Hauptfigur völlig unverständlich. Warum genau mordet er für die beiden (komplett identischen) Fraktionen?
Nichtmal das im Menü aufrufbare Tagebuch hat Erklärungsansätze zur Hand, was man sich zusammenreimen könnte ist nicht überzeugend und wird es immer weniger, je bösartiger die Missionen werden. Das Ermorden (nach Erledigen der Wachen) hilfloser Personen, das Sabotieren von Medikamenten, dem Trinkwasser – warum macht der Spielercharakter das völlig grundlos mit? Klar, das ist vom Spiel als Storyelement gedacht, aber das reicht doch als Erzählmodell nicht.
Das Ergebnis ist nur ein verstörendes, in seiner Kaputtheit surreal wirkendes Spiel, dessen Handlung null Sinn ergibt. Nichts davon fördert den Spielspaß.
Interessante Elemente
Und das ist schade, weil FC2 auch gute Elemente hat. Tolle Elemente sogar, innovative, die einen guten Shooter hätten ergeben können.
So hat das Spiel viele Ansätze von Realismus. Einige davon sind allein betrachtet nervig, wie die blockierenden Waffen. Zusammengenommen haben sie aber einen immersiven Effekt. Wenn man erst zum Waffenlager fahren muss, um frische Waffen zu holen, damit auf der nächsten Mission alles klar geht. Dabei die Gegner nicht auf einer Minikarte zu sehen sind, sondern im (nicht zu dichten) Dschungel versteckt erledigt werden müssen. Eine Karte hat der Spieler, muss sie aber statt einer Waffe zur Hand nehmen und dann auf sie herunterschauen – das ganze HUD ist sehr dezent, die wenigen Elemente tauchen nur bei Bedarf auf.
Genial die Idee, an allen Kreuzungen für den Spieler personalisierte Straßenschilder anzubringen, die dann auch noch während Missionen in der Missionsfarbe eingefärbt sind und so den Weg weisen.
Am Zielort sollte man überlegen, ob nicht mit einer schallgedämpften Waffe schleichend vorzugehen besser ist, als mit dem Grantatenwerfer des Schützentransporters die Wachen direkt anzugreifen. Das ist alles zusammen eine interessante Mischung, die Afrikalandschaft für sie eine gute Umgebung.
Gut, dann kommt zum hundertsten mal wieder ein Wagen angefahren und hält direkt vor dem Lauf des Maschinengewehrs, weil der Fahrer einen Todeswunsch hat. Aber wenn einen solcher Unsinn nicht gerade rausreißt machen die Gefechte Spaß. Auch, weil mehr passiert als Gegner zu erledigen, die wie panische Hühner herumlaufen. In manchen Situationen funktioniert ihre KI ziemlich gut.
Dazu kommen die Effekte, alles mögliche explodiert, Feuer kann sich besser ausbreiten als in modernen Titeln, die Dschungelpflanzen gehe unter Beschuss kaputt und geben so den Blick auf verschanzte Gegner frei, einige Materialien sind nicht kugelsicher und die Gegner schießen auch mal durch Holzlatten auf den Spieler. Klasse.
Die Kameraden sind ein dadrin gut eingebundenes Spielelement. Weil sie in den Gefechten helfen, damit dem Kern des Spiels. Sicher noch wichtiger auf den Konsolen, bei denen kein Schnellspeichern möglich war.
Superungewöhnlich ist, dass die Kameraden dauerhaft sterben können: Gehen sie nach zu viel Feindbeschuss zu Boden, kann der Spieler sie wiederbeleben oder ermorden. Es gibt für letzteres keinen Grund, außer evtl keine Heilungsspritzen mehr zur Verfügung zu haben. Was motiviert, mit ihnen hauszuhalten. Dass sie bei Friendly Fire dauerhaft sterben ist ebenfalls ungewöhnlich und soll wohl in Richtung Realismus gehen, das positiv zu bewerten fällt mir aber schwerer. Es passiert zu leicht versehentlich.
Doch selbst der Story lässt sich positives abgewinnen. Zum einem wieder über die Kameraden, die für ihre Alternativmissionen sehr wohl eine bessere Motivation haben und die auch erklären – wobei das mehr für den zweiten Akt gilt. Ihnen zu helfen ist daher angenehm. Aber zum anderen wäre es bei besserer Ausgestaltung der Idee toll gewesen, mal keinen Held zu spielen. Ein widerliches Arschloch, das sich rücksichtslos durch ein Kriegsgebiet mordet ist ja mal was anderes.
Und der Versuch war offensichtlich, mit dem philosophisch schwurbelnden Jackal einen interessanten Antagonisten und insgesamt eine kriegskritische Geschichte zu schaffen, die Verweise auf Apocalypse Now sind überdeutlich. Nur hätte es für solch einen Ansatz mehr nachvollziehbare Handlungsmotivation, vielleicht auch Handlungsalternativen gebraucht, und im Idealfall keinen stummen Hauptcharakter mit selbst im Tagebuch minimaler Selbstreflexion.
Fazit: Unfertiges Ideengrab
Far Cry 2 zu spielen macht schon etwas Spaß, denn die guten Ideen darin zu sehen ist interessant und im Kern steckt im Spiel ein guter Shooter. Darauf kann man versuchen sich zu konzentrieren, dass das möglich sein würde hatte ich trotz der gemischten Rezensionen gehofft. Wegen der Kaputtheit des Spiels überwiegt aber das nervige. Doppelt frustrierend, weil das Potential für ein tolles Spiel dagewesen wäre: Wenn nur jede Fraktionen etwas besser ausgestaltet, nicht jeder NPC auf der Karte ein feindlicher Soldat wäre und wenn wenigstens bei den verdammten Straßensperren keine neuen Gegner erscheinen würden, dann wäre FC2 ganz gut geworden. So aber war es ein vermurkster Versuch, den auch knapp 15 Jahre später kein Mod von seinen wohl zu tief sitzenden Macken befreien konnte.
King's Bounty: Warriors of the North ist einfach zu lang
Monday, 28. February 2022
King's Bounty: Warriors of the North erschien mir erst wie ein tolles Spiel, das höchstens etwas altbacken war. Nach 30 Stunden dachte ich das immer noch. Aber erst nach 70 Stunden war es zuende; bis dahin hatte ich mich mehr als sattgespielt.
Rundenstrategie und RPG
King's Bounty ist keine neue Serie, aber sie ging bisher an mir vorbei. Wem es ähnlich geht: Es ist ein Heroes of Might & Magic ohne KI-Spieler. Der Spieler befehligt als Prinz Olaf (anfangs) einen Trupp Vikinger auf einer Inselkarte. Begegnet er einer feindlichen Einheit, wechselt das Spiel über in eine Hexfeldarena, in der die beiden Einheitenstacks Runde für Runde gegeneinander kämpfen. Jede Einheit zieht je nach Initiative, kann sich dann bewegen und einmal angreifen. Die meisten Einheiten schlagen einmal pro Runde zurück wenn sie angegriffen werden und haben Zusatzfähigkeiten, natürlich sind sie alle unterschiedlich stark; manche Einheiten sind besonders stark gegen andere, sodass die Kämpfe relativ komplex sein können. Zusätzlich kann der Spieler mit Zorn-Fähigkeiten oder Zaubersprüchen in die Kämpfe eingreifen, auch die seltenen gegnerische Helden machen das.
Auch abgesehen von den Kämpfen gibt es Begegnungen auf den Inselkarten. Diese NPCs vergeben dann meist Quests oder bieten Gegenstände und Einheitennachschub an. Die Quests erzählen viele irrelevante Nebengeschichten (manchmal mit Entscheidungen) und eine Hauptstory um einfallende Horden von Untoten, die der Prinz aufhalten soll. Quests wie Kämpfe belohnen mit Erfahrung, bei Levelaufstiegen gibt es zum einen mehr Führungsstärke für größere Einheitenstacks, zum anderen (auch findbare) Runen, mit denen Fähigkeiten gekauft werden.
Diese Fähigkeiten sind nicht die gleichen wie die Zorn-Fähigkeiten, sondern mehr passive Boni. Die Zorn-Fähigkeiten werden dagegen im Spielverlauf freigeschaltet. Aktionen im Kampf füllen die Zornpunkte auf, mit ihnen können die Fähigkeiten ausgelöst werden – beispielsweise kann später ein Feuergolem beschworen werden. Die Zaubersprüche funktionieren ähnlich, sie werden als Schriftrollen gesammelt und können mit auf den Inseln herumliegenden Kristallen in das Zauberbuch übertragen und so permanent verfügbar gemacht werden. Zaubersprüche verbrauchen Mana, das sich mit der Zeit von selbst auffüllt.
Stärken: Kämpfe, Ausrüstung, Story
Diese Mischung aus Strategie und Rollenspielelementen ist angenehm. Gerade zu Anfang ist sie sehr motivierend: Der Held und seine Gruppe wird langsam stärker, aber das gleiche gilt für die Gegnergruppen auf den Inseln. Die sind anfangs mit leicht zu verstehenden Gegnertypen gefüllt, fangen dann aber langsam an zu variieren, sodass nach und nach neue Gegenstrategien gefunden werden müssen. So lernt man auch als Spieler dazu und Kämpfe, die vorher schwierig schienen, werden plötzlich lösbar.
Der Held wird stärker durch die Erfahrung aus gewonnen Kämpfen, was einen klaren Grund gibt die vielen Gegnergruppen zu besiegen. Gleichzeitig will man die Verluste gering halten – zwar gibt es genug Gold, aber schlicht nicht unbegrenzt Nachschubeinheiten. Überall auf den Inseln liegen Ressourcen herum, wie die Magiekristalle oder Banner zum Erhöhen der eigenen Führungsstärke, zudem Ausrüstungsgegenstände mit hübschen Boni. Es gibt also gute Gründe, gründlich jede Insel durchzukämmen, alle Gegner zu besiegen und alle Quests zu erledigen.
Dabei packte mich anfangs auch die Story: Die Untoten besiegen zu wollen ist zwar so simpel wie ein Szenario nur sein kann, aber hat auf den ersten Inseln mit einem Bruderrivale, den Vikingerkönigen und den Walküren genug reizvolle Element. Man fragt sich wie es weitergeht und will das Ende erreichen, also erfüllt sie ihren Zweck.
Schwächen: Kämpfe, Ausrüstung, Story
Doch irgendwann kippt diese Motivationsspirale. Und ich kann ziemlich genau den Moment benennen, muss dafür aber in diesem Absatz ein bisschen spoilern, doch eigentlich ist der Handlungsverlauf vorhersehbar (was ein weiteres Problem ist): Man trifft nach ein paar Inseln auf einen Menschenkönig, der gegen die Untoten vorzugehen verspricht. Dafür brauche er nur drei mächtige Artefakte, die Olaf besorgen soll. Dass es ein Trick ist ist überdeutlich, aber es gibt keinen Weg, das Spiel weiterzuspielen ohne diese Hauptmission entsprechend zu erledigen. Mit den Artefakten in der Hand gibt er sich als der Böse hinter der Untoteninvasion zu erkennen und es gilt, Verbündete gegen ihn zu gewinnen.
Und wäre es das jetzt, wäre das gut gewesen. Noch zwei-drei Inseln besuchen, mit den Königen von vorher reden (bei denen dann auch Elfen und Dämonen dabei gewesen sind), zur finalen Schlacht ziehen, dann wäre das Spiel nach ungefähr 30 unterhaltsamen Stunden gelungen beendet.
Stattdessen ist zu dem Zeitpunkt das Spiel nichtmal halb fertig. Die vorgesehenen Verbündeten wollen erst nicht oder müssen gar noch gefunden werden. Das dauert, ihre Questreihe ist jeweils lang und führt zu neuen Inseln mit vielen starken Monstern. Aber die besiegen zu lernen motiviert nicht mehr, weil die eigene Gruppe schon optimiert ist und kaum neue Gegnertypen hinzukommen. Es ist nur mehr vom gleichen. Die Kämpfe leiden jetzt auch sehr darunter, viel zu häufig und oft zu leicht zu sein - klar schwächere Gegnergruppen sollen zwar kampflos fliehen, in der Praxis sind aber auch vermeintlich gleichwertige Gegnergruppen zu diesem Zeitpunkt hoffnungslos unterlegen. Selbst wenn es nicht so wäre (der Schwierigkeitsgrad ist wählbar): Dass es mangels neuer Gegnertypen keine Variation mehr gibt macht die nun folgenden Kämpfe witzlos, abgesehen von drei Bosskämpfen.
Darauf zu reagieren, indem man das Spiel anders spielt, fällt schwer. Die Kämpfe einfach nicht optimal oder mit der Automatik zu spielen scheidet aus, da es nicht unbegrenzt Nachschub für die gewählte Einheitenkombination gibt (und zudem eine andere Kombination, die z.B. in meinem Fall dann ohne Wiederbelebungspaladine hätte auskommen müssen, die Kämpfe möglicherweise noch langwieriger machen würde). Nebenquests zu ignorieren wird durch die immer weiter zunehmende Stärke der Gegnergruppen verbaut, der die Questbelohnungen wie Zusatzrunen entgegenwirken. Das gleiche macht es auch schwierig, vor Gegnergruppen wegzurennen, denn dann fehlt die Erfahrung später.
Motiviert denn noch die Ausrüstung sowie das Aufleveln? Nein, denn da tut sich nicht mehr viel – denn die neuen Items sind nicht zwingend besser, wenn doch, fühlt sich durch sie leicht stärker zu werden angesichts der meist unterlegenen Gegner nicht mehr gut an. Gleiches gilt für den sich nun füllenden Fähigkeitsbaum.
Es gab aber auch vorher schon Schwächen, die bis dahin nur nicht überwogen. So ist die Grafik nicht gerade hübsch, die Musik trägt nicht die gesamte Spielzeit. Die Kamera ist furchtbar – sie ist frei drehbar, wodurch man ständig die Orientierung verliert, gleichzeitig stimmt dauernd der Kamerawinkel nicht und sie muss gedreht werden. Rollenspiel ist trotz Rollenspielmechaniken nicht vorgesehen: Olaf soll in der Story wohl ein Halbidiot sein und es gibt keine Möglichkeit ihn anders zu spielen, was bei der Begegnung mit dem Oberbösen nur ultimativ nervig ist, auch vorher stört das schon. Zudem ist die Geschichte schwach inszeniert (sprich: außer Textboxen gar nicht) und ihr Ton stört mit unpassendem Humor.
Fazit: Schlicht zu lang
Anfangs war ich sehr glücklich mit diesem mir empfohlenem Spiel – was für eine schöne Mischung dachte ich, motivierend und fordernd, aber gleichzeitig unstressig. Das Fortschrittsgefühl ist anfangs echt gut, die Rollenspielmechaniken zusammen mit dem immer größer werdenden Einheitenvorrat motivieren. Aber dann hört Warriors of the North einfach nicht auf, obwohl es schon alles gezeigt hat was es drauf hat, obwohl alle Fragen der Geschichte gelüftet sind, obwohl direkt nach der Halbzeit das Finale einzuleiten so supernaheliegend gewesen wäre.
Es ist wirklich schade. Denn es erscheint nicht fair, ein Spiel für mehr Inhalt schlechter zu finden. Es ist aber nunmal ein Problem, wenn dieser Mehrinhalt keinen zusätzlichen Spielspaß bietet, sondern im Gegenteil die Motivationsspirale nicht weiterzudrehen vermag. So wurde das Beenden dieses King's Bounty zu einer schwierig zu verneinenden Fleißaufgabe, da ein vorher so gelungenes Spiel ohne Erreichen des Ende wegzulegen auch unbefriedigend erschien. In diesem Extrem kann ich mich an kein Spiel erinnern, bei dem die Halbierung der Spielzeit so sehr geholfen hätte. Empfehlen kann ich Warriors of the North daher nicht, auch wenn ich anfangs viel Spaß hatte.
Hitman (2016) balanciert Stärken und Schwächen von AAA-Spielen, DRM zerstörts
Monday, 21. February 2022
Das Reboot der Hitmanserie war wohl ein ziemlicher Erfolg. Die Vorgängerspiele hatten ihre Fans, aber meiner Wahrnehmung nach waren es immer Nischenspiele. Man konnte mit ihnen viel Spaß haben (besonders mit Blood Money), aber leicht zugänglich war die noch dazu makabere Spielereihe nicht. Naja, Absolution ging vielleicht schon etwas mehr in die moderne Richtung des 2016er-Spiels und verkaufte sich häufig. Der Nachfolger aber kam in neuer Grafik und mit einem neuen Konzept, sodass der Serienneustart unter viel Aufmerksamkeit in Einzelepisoden veröffentlicht wurde. So stückchenweise bei einem neuen Hitman angelangt ist es kein Zweifel mehr, dass die Reihe eine AAA-Spielereihe sein will – aber das hat Nachteile.
Wenige Karten, viele Möglichkeiten, viel Führung
Hitman besteht aus sechs Einzel-DLCs, jede ist eine Mission an einem Schauplatz, z.B. ist eine Modeschau in Paris die erste richtige. Dazu kommen zwei in der GOTY-Version enthaltene Bonus-DLCs, die jedoch zum Teil die vorherigen Missionschauplätze recyceln. "Sechs echte Missionen" klingt wenig, ist aber nicht wenig: Die Schauplätze sind groß, die Missionen immer mehrstufig. Zudem gibt es immer mehr als eine Möglichkeit die Zielpersonen auszuschalten. Verschiedene Lösungswege geben dabei unterschiedliche Punktzahlen und Erfolge, die wiederum neue Startplätze und -ausrüstung freischalten, was wirklich zum Neuspielen der Missionen verleitet.
Innerhalb der Missionen sammelt man Ausrüstung und Spielerwissen. Ein herumliegender Hammer beispielsweise kann eine tolle Waffe sein, ein Schraubenzieher zum Sabotieren einer Maschine genutzt werden, Rattengift ein Opfer ausschalten. Es gibt auch Pistolen und Gewehre, üblicherweise startet Agent 47 mit einer schallgedämpften Pistole und kann sich Gewehre an Verstecke liefern lassen. Mit Kostümen – die gefunden oder von ausgeschalteten NPCs gestohlen werden können – werden neue Bereiche zugänglich, ohne die ganze Zeit schleichen zu müssen. Hilfreich, denn mit Waffengewalt sind nur selten Erfolge erreichbar, die Alternativen werden bevorzugt.
Einige der Erfolge sind sogar an das Opportunity-System geknüpft. Es macht die Spezialvarianten explizit, die auch die Vorgänger schon hatten. Dann hört man zum Beispiel in einem Gespräch mit, dass ein Masseur unterwegs zur Zielperson ist, die Stimme im Ohr macht nochmal extra darauf aufmerksam und Einblendungen führen den Spieler dann zu der Möglichkeit, die Rolle des Masseurs einzunehmen und daraufhin die Zielperson an einem abgelegenen Ort zu treffen.
Dieses Herausstellen der Möglichkeiten macht auf jeden Fall das Spiel zugänglicher. Was etwas positives ist, gerade bei einem Spiel, das mit seinem Schleich- und Kostümsystem nicht immer offensichtlich ist und etwas Einarbeitungszeit braucht. Als Spieler hat man meist auch immer noch das Gefühl, selbst zu kombinieren – denn die Einblendungen sind normalerweise nicht komplett. Sie führen dann zum Beispiel zum richtigen Kostüm, aber der beste Weg an den das Kostüm durchschauende Kollegen vorbei muss selbst gefunden werden. Außerdem bleibt ja immer noch dem Spieler überlassen, welche Gelegenheiten er für die Ziele kombinieren will. Und doch: Es fühlt sich glattgebügelt an.
Anstatt die Gelegenheiten durch eigenes Beobachten zu erraten, stößt dieses System den Spieler sehr explizit auf sie. Über den Spielverlauf wird das weniger und weniger reizvoll, auch im Vergleich zu den Vorgängern fehlt dadurch etwas. Hitman vermittelt daher weniger stark dieses Gefühl, durch Ausnutzen solcher Situationen ein Spiel mittels eigener Intelligenz zu meistern.
Immerhin gibt es immer noch die Möglichkeit die Skripts einfach zu ignorieren. Damit meine ich nicht, dass man sich durchschießt (wobei das geht). Sondern, dass man die Ziele ohne Verkleidung und ohne ertappt zu werden erreicht. Ob nur mit einem Scharfschützengewehr oder sogar nur durch das Herbeiführen von Unfällen, das sind nochmal vorgeschlagene Abstufungen, für die das Spiel auch jeweils einen Erfolg bereithält. Das geht schon mehr in die Richtung, sich eigene Herausforderungen setzen zu können, dass das Spiel die dann auch noch anerkennt macht diesen Effekt nicht kaputt.
Belanglose Story, gute Grafik
Die einzelnen Missionen mit ihren vielen Möglichkeiten sind klar der Fokus des Spiels. Zusammengehalten sind sie aber doch durch eine Hintergrundgeschichte, in der eine Geheimorganisation eine Rolle spielt. Agent 47 war ja auch immer Teil einer solchen, das Aufeinandertreffen entwickelt sich in Videos zwischen den Missionen und durch Infohäppchen in ihnen. Allerdings bedeuten die wenigen Missionen auch wenige Zwischensequenzen, in denen sich die Story kaum entwickelt und sie so nur minimal Interesse wecken kann. Sie soll klar in den Nachfolgespielen weitergeführt werden. Was nicht ganz offensichtlich war, der Entwickler hätte ja auch immer weiter DLCs in den ersten Teil packen können. So wie es nun aber lief braucht man für die Story dieses Spiel gar nicht erst starten.
Immerhin sieht es gut aus. Die Karten sind mit vielen NPCs gefüllt, was eine Stärke vom Vorgänger Absolution weiterführt. Und sowohl die Animationen als auch die restlichen Grafikdetails funktionieren einwandfrei, selbst auf nicht besonders starker Hardware. Dabei hat Hitman sogar eine so gute native Linuxversion, dass ich nicht zur Protonvariante greifen musste.
Der Blocker: Always-on-DRM
Bis zu diesem Punkt wäre mein Fazit positiv gewesen. Ich erinnere mich wohlwollend daran, wie ich mich gerade in die ersten Missionen verbissen und sehr viele Lösungsmöglichkeiten ausprobiert habe. Die Spielmechaniken wurden mir dadurch so vertraut, dass ich die späteren Missionen etwas schneller und weniger aufmerksam nach Alternativen suchend erledigte. Doch sie gefielen mir durch ihren Umfang und ihr Missionsdesign trotzdem, mal mehr, mal nur etwas weniger. Aber dann kam das DRM ins Spiel.
Beziehungsweise war es immer im Spiel. Hitman sagt von Anfang an, dass man zum Spielen online sein muss. Das ist bei einem Singleplayerspiel hochproblematisch. Es hielt mich aber erstmal nicht vom Spielen ab und hätte einer positiven Wahrnehmung auch nicht im Weg gestanden, weil ich das irgendwann schlicht vergessen hatte. Die ersten DLCs wurden kostenlos verteilt, der Rest war Teil eines Humblebundles, da schaute ich nicht so genau hin. Bis ich aus dem Spiel gekickt wurde.
Das war jetzt kürzlich, als ich nach einer Pause die späteren Missionen abschließen wollte. Am ersten Abend konnte ich etwa eine Stunde spielen, danach war Schluss. Offline weiterzuspielen macht wenig Spaß, wenn der Fortschritt nicht gespeichert wird. Aber das Spiel wollte sich einfach nicht verbinden, auch nach Neustarts nicht. Und selbst bei der nächsten Spielesession war die Verbindung zum DRM-Server noch instabil. Nein, solche digitalen Restriktionen müssen nicht sein, bei Einzelspielerspielen dürfen sie nicht sein. Hitman wurde zurecht von GOG entfernt.
So bleibt mein Fazit tief gespalten. Auf der einen Seite ist Hitman hübsch, so zugänglich wie noch nie, die komplexen Missionen auf den weitläufigen und verschachtelten Karten sind größtenteils ziemlich spaßig, ich mag solche Schleichspiele und die Hitman-Reihe nach anfänglicher Abneigung ganz besonders. Andererseits empfinde ich manche der Zugänglichkeitsmaßnahmen als Glattbügelung, hätte mir mehr Missionen und eine echte Story erhofft. Vor allem aber ist das DRM mit seinem Internetzwang völlig inakzeptabel. Und das ist keine reine Ablehnung aus Prinzip, sondern hängt mehr noch an den erlebten negativen Konsequenzen dieses Systems. In diesem Zustand ist Hitman nicht empfehlenswert – vielleicht irgendwann einmal, nachdem das DRM entfernt wurde.
Wie Fallout 4 auf diesen Fan von New Vegas wirkte
Monday, 8. November 2021
Wieviel besser New Vegas (FNV) mir im Vergleich zu Fallout 3 gefiel war ein wichtiger Punkt in meinem Rückblick auf das Kultrollenspiel. Dementsprechend habe ich erst jetzt Fallout 4 gespielt, da ich mit dem alten Entwickler Bethesda eine Rückkehr alter Schwächen erwartete. Diese Einschätzung war nicht ganz verkehrt, tat dem neuesten – aber nicht neuen, denn Fallout 4 ist von 2015 – Teil der Serie aber auch Unrecht.
Stärken bei Grafik und Story
Fallout 4 beginnt vor der Apokalypse. Morgens vor dem Spiegel wird die Hauptfigur ausgewählt, Mann oder Frau, das Aussehen angepasst sowieso die Attributspunkte verteilt. Ein Baby schläft im Kinderzimmer und will beruhigt werden. Ein Vault-Tec-Mitarbeiter klingelt genau zum richtigen Moment und holt das Einverständnis zu einem Bunkerplatz ein, da gehen auch schon die Alarmsirenen los. Und ein paar Ereignisse später wacht der Spielercharakter im Bostoner Ödland mit einem stark motivierten Ziel auf.
Schon der Beginn der Handlung ist also spannend, kommt schneller zum Punkt als es das Aufwachsen im Bunker von Fallout 3 getan hatte, und anders als beim konfusen Beginn von New Vegas rätselt man nicht erstmal was überhaupt passiert ist. Ähnlich stark geht das weiter, mit nur ein paar Abstrichen zu denen ich weiter unten kommen werde. Die Hauptstory bleibt das ganze Spiel über spannend, sie hat ein paar Wendungen sowie toll inszenierte Momente parat. Sie behandelt typische Scifi-Themen, was Fallout zwar bisher nie so direkt tat, aber der Serie auch nicht schadet.
Dabei wird der Spieler automatisch mit den dreieinhalb Hauptfraktionen der Region in Kontakt treten und sich zwischen ihnen entscheiden müssen.
Und während man das alles erlebt sieht man die Welt in einer viel hübscheren Grafik als früher. Das hat mich der verflossenen Zeit zum Trotz am meisten überrascht. Denn Elder Scrolls Online, Fallout 76 und vielleicht auch die übliche Youtube-Videokompression von Spielaufnahmen hatten mir den Eindruck vermittelt, dass Fallout 4 gerade in den Ruinen immer noch schlecht aussehen würde. Und ich messe ja nicht gegen den Originalzustand FNVs zur Veröffentlichung, sondern gegen den Topzustand mit all den grafikverbessernden Mods, die ich damals benutzte. Aber die negative Erwartung stimmt überhaupt nicht. In Fallout 4 kommen stattdessen ganz viele verschiedene Engineverbesserungen mit einem generell besseren Objektdesign zusammen. Das Ergebnis ist meist einfach hübsch, bei den Animationen, der Beleuchtung und auch gerade bei Objekten in nächster Nähe hat sich unheimlich viel getan. Zudem sind die Gesichter der NPCs tausendmal besser gelungen als in New Vegas. Klar, es ist kein ganz aktuelles Spiel und sieht auch nicht so aus, aber trotzdem fand ich es überraschend hübsch.
Wobei, Einschub: Viel des positiven Eindrucks hängt mit den Einstellungen zusammen. Ich hatte zu Beginn länger experimentiert, weil ich einerseits Protons FSR-Unterstützung ausprobieren wollte, andererseits auf Seiten wie dem PCGamingWiki auf SMAA als Alternative zum eingebauten FXAA/TXAA hingewiesen wird. Doch letzten Endes sah reguläres 1080p mit TXAA am besten aus und ich hatte mit meiner RX 570 nur wenige Performanceprobleme oder Grafikfehler, bei denen immer Inkompatibilitäten mit Proton als Ursache angenommen werden dürfen. Es gab zudem ein paar Slowdowns, die ein Neustart behob. Ansonsten war die Bildqualität meist sehr gut und in meiner Konfiguration vor allem sehr ruhig, was bei Bethesda-Vorgängerspielen selbst mit Mods und Spezialkonfiguration fast nie zu erreichen war.
Neben der Haupthandlung gibt es natürlich viele Nebenmissionen. Manche davon sind großartig geworden, wie eine kleine Questreihe in Goodneighbours, bei der der Spielercharakter als Comicsuperheld verkleidet auf Verbrecherjagd geht und währenddessen in jedem Gespräch in dieser Rolle antworten kann.
Viele Änderungen sind Verbesserungen
Nun ist Fallout 4 aber nicht ein nur grafisch aufpoliertes Fallout 3 oder New Vegas mit einer neuen Story, sondern sein eigenes Spiel. Nicht alle der Änderungen sind positiv. Aber viele sind es.
So hat die eigene Ausrüstung keinen Reparaturzustand mehr. Selten habe ich eine Funktion weniger vermisst. Es macht das Spiel schlicht weniger nervig, nicht immer wieder die eigene Ausrüstung reparieren zu müssen. Klar, es entfernt auch etwas Anspruch, aber in meinen Augen ist diese Änderung klar positiv. Kämpfe werden so noch angenehmer, wobei es für sie auch generell mehr Ressourcen (Munition sowie Granaten und Heilung) gibt.
In diesen Kämpfen verlangsamt das VATS-System jetzt nur noch die Zeit, anstatt sie ganz anzuhalten, während die Körperteile der Gegner anvisiert werden können. Das entfernt eine spannungsminimierende Ruhepause aus den Kämpfen, ohne die Funktion nutzlos werden zu lassen. Gelungen. In dem neuen VATS-Modus werden kritische Treffer nicht mehr zufällig ausgelöst, sondern durch Tastendruck ausgewählt, nachdem sich durch erzielte Treffer die Leiste dafür aufgeladen hat – eine der wenigen Verkomplizierungen, die aber tatsächlich eine gute Entscheidungskomponente in das Spiel bringt. Wegen mir hätte es auch beim Pausenmodus bleiben können, aber der Zeitlupen-VATS hat schon was.
Nett: Radioaktivität ist nicht mehr ein eher versteckter Statuswert mit unklaren negativen Auswirkungen, sondern verkleinert einfach direkt den Lebensbalken. Schlicht und deutlich.
Eher neutral als positiv sehe ich eine der größten Neuerungen: Den Baumodus. Crafting hatte New Vegas schon und gab so dem ganzen Kram in den Ruinen ein bisschen Relevanz. Fallout 4 geht einen Schritt und lässt den Spieler mit aus dem Schrott gewonnenen Rohmaterialien überall in der Spielwelt verteilte Siedlungen erweitern. Damit die Funktion ja nicht übersehen wird gibt es direkt im ersten bereisten Dorf zu rettende Vertreter der Minutemen, einer der vier Fraktionen, bei denen der Hauptanteil der Fraktionsstory darin besteht Siedlungen auszubauen und zu verteidigen. So braucht es einen Generator um mit einem Radioturm Siedler zu gewinnen, die dann Betten, Wasser, Nahrung und Verteidigungswerke haben wollen.
Es ist schon ziemlich cool, der Spielwelt so permanente eigene Änderungen hinzuzufügen. Andererseits hat man als Spieler wenig davon, insbesondere fast keine Vorteile im weiteren Spielverlauf. Warum sollte man zum Beispiel mehr Siedler anlocken, wenn das nur mehr Arbeit und schlechtere Performance bedeutet? Der Siedlungsbau lässt sich so nur als eigenes Minispiel betreiben. Die Rohstoffe dienen zwar auch dem Bauen von Mods sowie der Reparatur von Powerarmor, aber dafür reicht gelegentliches eigenes Sammeln ebenfalls – die vielen regulären Quests schicken doch sowieso in die Ruinen. Daher ist der Siedlungsbau irrelevant und wird viel zu schnell langweilig, aber eine gewisse Faszination am Anfang will ich nicht verhehlen, weshalb die Änderung hier bei den Verbesserungen gelistet wird.
Die erwähnte Powerarmor gibt es im Spiel jetzt häufiger und früher, sogar fast direkt zu Spielbeginn. Sie muss repariert werden und braucht sogar eigene Energiezellen. Eine große Änderung gerade zu Fallout 2, wo diese Rüstungen einfach die Endklasse an Ausrüstung war – aber durch die Akkus immer noch etwas, was man sich eher fürs Endspiel aufhebt, wobei ich am Ende eine große Reserve hatte. Man kann diese verringerte Exklusivität schade finden, denn sie entwertet. Und die Rüstungen schaden dem Balancing, sie sind zu mächtig, und warum zum Teufel kann man in ihnen schleichen? Aber mir überwog der Spaß daran, die Rüstung für die kampfeslastigsten Missionen vorzuhalten und zwischendurch aufzurüsten, schließlich mit ihnen durch die Gegnermassen der Endmissionen zu gleiten.
Reguläre Rüstung gibt es auch noch, es finden sich diesmal komplette Sets und alternativ Einzelteile. Leider bekommt man viel zu früh eines der besten Rüstungssets, wodurch sich das Thema dann fast erledigt hat. Die Waffen orientieren sich an den Vorgängern, aber es gibt jetzt zufallserstellte(?) legendäre Versionen der regulären Waffen – oft Überbleibsel zufällig auftauchender legendärer Feinde, stärkeren Versionen von Standardgegnern – die dann Zusatzeffekte haben. Zum Beispiel fand ich einen Revolver mit Flächenschaden durch explodierende Kugeln. Insgesamt gibt es bei Rüstungen wie Waffen eine angenehme Varianz, was mehr noch gelten würde wenn die Rüstungen besser verteilt wären und es Rüstungsklassen (leicht, mittel, schwer) gäbe.
Schließlich ist noch das Gesprächssystem stark umgebaut. Es gibt nun immer vier Antwortmöglichkeiten, wobei nie 100% klar ist was der Spieler sagen wird, ähnlich wie bei Mass Effect. Ein Nachteil an sich, wobei die Richtung der Antwortmöglichkeit immerhin seltener überrascht. Dafür sind die Gespräche besser ins Spiel integriert, die Kamera geht fließend in einen Gesprächsmodus über und auch wieder heraus. Das hat was, hätte aber ohne die Nachteile umgesetzt werden können, wie ein beliebter Mod zeigt.
Schwächen beim Rollenspiel und durch Bethesda-Marotten
Aber natürlich mussten die Macher in ihrem Ansinnen, das Spiel zugänglicher zu machen, über das Ziel hinausschießen und haben manche Aspekte der Fallout-Reihe verschlechtert. Wieder einmal; Hier wiederholt sich dann eben doch, was damals für Fallout 3 galt.
Es gibt kein Karmasystem mehr. Man kann sich mit Fraktionen verfeinden und Begleiter mögen manchmal bestimmte Aktionen bzw. andere nicht. So will die Belgeiterin Piper nie, dass man stiehlt, freut sich aber über jedes geknackte Schloss und jeder geholfenen Seele. Aber Karma wie man es aus den Vorgängern kannte ist weg, selten auch, dass die Alternative genutzt wird und frühere Entscheidungen neue Gesprächspartner beeinflussen. Eine negative Vereinfachung.
Selbst Fähigkeitspunkte gibt es nicht mehr. Stattdessen gibt es nun bei jedem Levelaufstieg einen Perkpunkt. Welche Perks wählbar sind hängt nur noch von Attributen und dem Level ab, nicht mehr von den verschmähten Fähigkeitswerten oder anderen Perks, können dafür aber mehrfach gewählt werden und dann auch Zusatzeffekte haben. Das Ergebnis: Jeder Charakter kann fast alles, beispielsweise jede Waffe bedienen. Besseres Crafting und Siedlungsbau braucht bestimmte Perks, aber ansonsten sind die Perks einfach Boni. Teils sind sie an die alten Perks angelehnt und etwas interessanter, wie Bloody Mess. Aber andere erhöhen dann einfach den Schaden in einer Waffenkategorie, was zum Durchspielen noch dazu komplett unnötig ist. Hier hat Bethesda eine Schnapsidee aus Skyrim übernommen. Es kommt noch dazu: Dementsprechend gibt es auch in Gesprächen keine alternativen Skillchecks mehr, nur noch Charisma dient dem Überzeugen, ein massiver Rückschritt zu New Vegas.
Thema Skyrim: Was war am nervigsten an Skyrim? Für mich, dass jede Höhle, jede Ruine eine belanglose Geschichte erzählen musste und dass man mit Nebenquests zugemüllt wurde. Fallout 4 verbessert den einen Aspekt davon, weil die an den Orten erzählten Geschichten besser gelungen sind und weniger erzwungen wirken. Dafür übernimmt es mit Endlosquests die größte Unart von MMORPGs und verschlimmert das Zumüllen des Questbuchs tausendfach. Gerade die Minutemen (aber auch alle anderen Fraktionen haben ein Äquivalent) geben dem Spieler immer wieder die gleichen Aufträge: Gehe irgendwohin und töte alle Feinde, gehe zu einer Siedlung und verteidige die. Es ist ein endloser Strom an Langeweile. Das schlimmste: Diese Quests sind nichtmal als Endlos-Nebenquests markiert, was direkt damit konkurriert, dass die Minutemen-Quests automatisch im Questbuch erscheinen! Wer also wie ich in RPGs anstrebt, irgendwann alle Nebenquests im Log zu erledigen, der muss sich von diesem Gedanken verabschieden und hat durch diese Mechanik einen ewigen Stör- und Stressfaktor.
Störend wird auch, dass Bethesda weiterhin nur eine Art von RPG-Story erzählen kann: Die des messianischen Auserwählten. Natürlich war man auch in Fallout 1 und 2 ein wichtiger Einflussfaktor auf die Spielwelt, in fast jedem Rollenspiel ist man es, FNV betonte das sogar. Aber nicht in dem Ausmaß wie hier, nicht mit dieser kognitiven Dissonanz. In Fallout 4 läuft man der Brotherhood of Steel über den Weg, die eine elitäre und geheimniswahrende Militärorganisation ist, die üblicherweise mit dem Gesindel von außerhalb der eigenen Reihe nichts zu tun haben will und die selbst in Fallout 4 die ganze Zeit die eigene Überlegenheit betont. Im gleichen Atemzug schaut einer der Paladine dich beim ersten Treffen an und sagt "Hey, willst du nicht eine Mission mit mir machen, du bist ja so außergewöhnlich!". Dann läuft man ihm in einem Gebäude hinterher, er erledigt alle Gegner, und sagt dann: "Du warst so toll da drin, du solltest uns beitreten!". WTF.
Dass die eigene Überbefähigung so gar nicht erklärt wird, gleichzeitig aber auch so übertrieben betont wird, ist für die Immersion und Konsistenz des Spieluniversums zerstörerisch. Obwohl die anderen Fraktionen da etwas bessere Einführungen haben, war selten ein Spiel in dieser Disziplin so schlecht wie Fallout 4.
Beim Balancing ist nervig, dass Bethesda immer noch manche Gegnerarten falsch einsortiert. Zum Beispiel waren in Fallout 1+2 Radscorpions Anfangsgegner, Supermutanten gehörten mehr Richtung Endspiel. Fallout 4 aber hat wieder ein Levelsystem, bei dem Feinde in verschieden starken Varianten erscheinen, was sich wohl am eigenen Level orientiert. So weit, so schlecht, aber wenn mit diesem System ordentlich zwischen Gegnertypen unterschieden wird muss es nicht zu sehr schaden. Doch auf diesem Wege trotz des Autobalancing Konsistenz mit den Originalspielen zu wahren, daran denkt Fallout 4 gar nicht: Die einfache Form von Supermutanten ist ziemlich ungefährlich und viel zu häufig, während Radscorpions in ihrer einen mir erschienenen Variante ziemlich harte Feinde waren.
Warum Bethesda mit diesem Vorhalten von einfachen Varianten von historisch harten Gegnern immer wieder ganzen Gegnerklassen ihre Gefährlichkeit und damit ihren Charakter nehmen muss wird mir wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Warum hier grundlos mit den Konventionen der Originalreihe gebrochen wird ist mir auch unerklärlich. Da wiederholen die Entwickler nur stur Fehler von Fallout 3, es wirkt wie kindlicher Trotz. Immerhin, anders als in Oblivion gibt es in Fallout 4 wenigstens ein ziemlich gutes Fortschrittsgefühl, weil die Anfangsgegner nie komplett verschwinden. Und es gibt sogar Gebiete, die auf ein hohes bzw. ein niedriges Stärkeniveau festgelegt sind, also für Anfangscharaktere zu schwer oder für starke Charaktere ein Klacks sind – Yeah! Aber bei der Gegnereinordnung zeigt New Vegas trotzdem wie es besser geht.
Vor allem aber zeigte New Vegas, wie man in einem modernen 3D-Rollenspiel Quests so anlegt, dass sie auf mehrere Arten lösbar sind und zudem den Spieler einen Charakter spielen lassen. Davon hat Fallout 4 Ansätze, aber vergisst es oft im kleinen. Im Grunde erledigt man die Missionen immer auf der einen vorgegeben Weise und kann höchstens entscheiden, wie man sich durchkämpft und welche Missionen bzw welche Fraktion man wählt. Das macht Fallout 4 nicht zu einem schlechten Spiel, aber zu einem eindeutig schlechteren Rollenspiel.
Und schließlich ist da die Erbsünde, der große Verrat von Fallout 3: Das Spiel täuschte anfangs vor, dass es wie in den Vorgängern Entscheidungen geben würde und man mit ihnen das Schicksal der Spielwelt beeinflussen würde. Und dann gab es im Abspann keine Auswirkungen der Entscheidungen, was eine Riesenenttäuschung war. Fallout 4 wiederholt diesen Extremfehler und speist den Spieler mit einem belanglosen und kurzen Abspannvideo ab, das keine individuellen Schicksale von Orten und Personen erwähnt.
Nur dass man weiterspielen kann und auch schon davor Konsequenzen im Spiel gezeigt wurden macht das etwas erträglicher. Es bleibt aber ein massiver Fehlgriff, diese Art der weiterführenden Geschichtenerzählung bei einem Fallout zu unterlassen. Zu lange war das ein elementarer Bestandteil der Serie, zu cool wäre es gewesen, es auch hier wieder zu erleben.
Bugs
Ich spielte mit einer Radeon RX 570 unter Linux via Proton. Manche der Bugs lassen sich damit erklären, insbesondere die Grafikfehler, die Godrays auslösten. Andere sind wahrscheinlicher dem Spiel zuzurechnen: Nach ihrer Aktivierung zu Terminals zu gleiten blieb oft stecken und erforderte ein Neuladen; Bei wenigen Quests gab es Skriptfehler, die ein Neuladen erforderten; Mein Begleiter reagierte bei einer Nacherzählung in einem Questgespräch der Haupthandlung überrascht, obwohl er beim Beschriebenen selbst dabei war; Piper blieb gerne an Objekten hängen oder verschwand einfach für eine Weile. Nichts davon machte das Spiel kaputt, auch stürzte es nie ab.
Fazit
Von New Vegas kommend ist Fallout 4 eine willkommene Modernisierung. Es sieht gut aus und schleift ein paar unangenehme Kanten gelungen ab, wie die fast vollständig entfernte Ausrüstungsreparatur – und sie für Powerarmor zu behalten ist superpassend, erhöht es doch die Hürde zum Einsatz dieses mächtigen Werkzeugs. Umso cooler, dass mit Project Mojave ein ernsthaftes Projekt dabei ist, FNV mit der Engine von Fallout 4 nachzubauen. Wieviel Komplexität dann wieder hineingemodded werden muss sei dahingestellt, aber mit etwas Konfigurierbarkeit ließe sich ein guter Mittelweg finden.
Denn die zentralen Spielsysteme funktionieren sehr gut – allerdings als Lootshooter mit leichten Rollenspielelementen. Doch die erzählte Story ist cool, ich mochte Piper als Begleiter mit ihren Kommentaren zur Story, die großen Entscheidungen wirken wichtig; In diesem Aspekt wird Fallout 4 dann wieder mehr Rollenspiel als Shooter. Das gilt auch für viele der Nebenquests. Zusammen entsteht eine reizvolle Mischung.
Aber Fallout 4 ist auch unangenehm simplifizierend. Es ist unoriginell, wie der Spieler einfach nur eine Halbgottfigur ist und als solche wahrgenommen wird, ohne seine besondere Rolle in der Spielwelt sinnvoll zu verpacken. Fähigkeitspunkte zu entfernen übertreibt es massiv mit der spielmechanischen Vereinfachung, es schadet dem Spiel nur. Nochmal mehr bei der nun unmöglichen Verbindung derselben mit dem Gesprächssystem. Wenn sie stattdessen wenigstens die Perks in den Gesprächen benutzt hätten!
Das Siedlungsausbausystem verdient fast seinen eigenen Artikel. Die Entwickler haben gut erkannt, dass es nicht schlecht in die Reihe passen würde und in dieser postapokalyptischen Welt einen besonderen Reiz hat. Aber sie sind komplett daran gescheitert, es sinnvoll in das eigentliche Spiel zu integrieren. So wie das System jetzt im Spiel ist trägt es eine Stunde Spielzeit, danach ist es verschwendeter Code – und schadet aktiv den Quests, die darauf beharren die Aufbauelemente zu benutzen. Was aber meist sowieso Aufgaben aus automatisch generierte Endlosquesttypen sind, widerliche Lebenszeitfresser. Dass die im Spiel sind ist unfassbar, dass der beliebteste Mod im Nexus nicht einer ist der sie entfernt eine Enttäuschung.
Meiner Kritik zum Trotz ist Fallout 4 ein gutes Spiel und ich habe es gerne gespielt. Es ist nur gemessen an den früheren Qualitäten der Serie unter seinen Möglichkeiten, was sich dann von mir ausformuliert harsch liest. Klar, Fallout: New Vegas ist eines der besten Spiele aller Zeiten und damit harte Konkurrenz – Fallout 4 hätte es aber sogar übertrumpfen können, wenn die Entwickler neben den neuen technischen Errungenschaften etwas disziplinierter die klassischen Rollenspielqualitäten der Reihe betont und Blödsinn wie Endlosquestreihen zurückgewiesen hätten.
Um das noch deutlicher zu sagen: Gamersglobal hat Fallout 4 damals mit 9.5/10 bewertet, wovon ich höchstens einen halben Punkt abziehen würde.
Chaos mit Zeitreisen: Super Time Force Ultra
Monday, 25. October 2021
Der ewige Traum der Zeitreise wird in Filmen und Spielen ja meist zu einem Alptraum, weil kaum eine Geschichte mit Zeitreise als Storyelement vernünftig umgehen kann und dadurch inkohärenter Quark wird. Super Time Force Ultra rennt da mit offenen Augen rein und versucht es gar nicht erst – die Story ist komplett absurdistischer Unsinn. Es gibt einen Antagonisten, der eure verschiedenen Zeitmanipulationen zu verhindern sucht. Belanglos. Es geht allein um die innovative Spielmechanik: Stirbt einer der Pixelcharaktere, kann der Spieler zu einem beliebigen Zeitpunkt zurückspulen und nochmal probieren, diesmal ohne zu sterben das Levelende zu erreichen oder den Bossgegner zu töten. Aber, und das ist das neue, der vorherige Versuch wird ab dem gewählten Zeitpunkt parallel abgespielt, die damals abgegebenen Schüsse und Schläge haben vollen Effekt.
Alle Level sind sind so angelegt, dass diese Vervielfachung der Spielfiguren genutzt werden muss um sie im kurzen Gesamtzeitlimit abschließen zu können. Wodurch auch ein riesiges Chaos und ein entprechender Kugelhagel entsteht: Praktisch ein umgedrehter Danmaku-Shooter, in dem man selbst nach und nach die vielen Projektile hinzufügt, die auch nur Gegnern schaden.
Wobei nicht alle der Spielfiguren schießen können. Eine der Startfiguren hat stattdessen ein Schild und wirft Projektile auf die Gegner zurück. Andere später freischaltbare Figuren haben Nahkampfangriffe, wie der Dino auf dem Skateboard. Durch dieses Freischalten wird das Arsenal des Spielers im Spielverlauf immer größer, wobei manche der Charaktere auch durch Einsammeln der Goldmünzen und nicht in den Level selbst aktiviert werden.
Moment, Dino? Jop, denn wie erwähnt wird es absurd. Die Zeitabschnitte sind in freier Abfolge auswählbar und führen nicht einfach in nahe Vergangenheit und Zukunft, sondern eben auch in eine Dinozeit mit humanoiden Echsen oder mal eben nach Atlantis. Neben passenden regulären Gegnern gibt es dabei auch immer einen Bossgegner. Wer besonders schnell ist kann in den vorherigen Abschnitten ohne Boss auch eine Speedrunchallenge versuchen, mir ist sie nie gelungen.
Super Time Force Ultra nimmt ziemlich erfolgreich eine nette Idee, das Wiederabspielen vorheriger Versuche, und bläst es zu einem effektvollen Spiel auf. Kombiniert mit den Spezialfähigkeiten der Charaktere sowie einem Level- und Gegnerdesign, das die effiziente Nutzung der Kernspielfunktion dauernd einfordert, wird das Spiel weder zu simpel noch zu chaotisch – selbst wenn das nach jedem Level präsentierte Video des Endergebnis der kombinierten Spielerversuche definitiv chaotisch aussieht. Mir ist die Story und das ganze Drumherum zu gewollt absurd gehalten, doch schadet das dem Spiel nicht zu sehr.
Das Spiel war im Humblebundle, wer es dadurch schon hat, dem sei ein Antesten empfohlen
Deus Ex mit weiblichem Hauptcharakter spielen
Wednesday, 13. October 2021
Es war wohl ursprünglich schon für das Release vor 20 Jahren geplant, statt dem männlichen JC Denton auch eine weibliche Version der Hauptfigur spielen zu können. Doch das wurde geschnitten. Jetzt aber ist es möglich: Das Lay D Denton Project baut mit einem Mod das Originalspiel dafür um.
Und dabei macht es viel mehr, als man jetzt vielleicht im ersten Moment erwarten würde. Hier wird nicht einfach das Charaktermodell gewechselt und die Tonart der Sprache des Protagonisten erhöht. Sondern die Sprachausgabe von JC wurde von einer Sprecherin komplett neu vertont, dazu Texte und NPCs samt ihrer Spracheausgabe so angepasst, dass sie JC nicht als Mann anreden. Sogar ein paar neue NPCs wurden eingefügt (komplett vertont!) und wo es passte Situationen abgeändert.
Anfangs wirkt die weibliche JC sehr ungewohnt. Nicht nur, dass es sich mit jahrzehntelanger Gewöhnung beißt – damit der Spieler sich mit der Hauptfigur besser identifizieren kann war schon im Original die Sprache bewusst unbetont (las ich, finde aber gerade keine gute Quelle), was jetzt hier wiederholt wurde und die Sache bestimmt unheimlich schwierig machte. Auf jeden Fall ist ein Riesenaufwand betrieben worden. Das Ergebnis wirkt ziemlich professionell; Nochmal mehr mit der früher oft amateurhaften Modszene von Deus Ex als Maßstab.
Den Mod kann man auf moddb herunterladen. Zum Installieren einfach ins Deus-Ex-Verzeichnis (~/.local/share/Steam/steamapps/common/Deus Ex) entpacken. Dokumentation gibt es auch, es gibt eine Installationsanleitung und eine Projektübersicht. Und schließlich einen Trailer, den ich mir um die Änderungen nicht zu spoilern nur bruchstückhaft angesehen habe:
Der darin benutze Remix ist auch auf Youtube.
Passende Mods
Als kleine Ergänzung: Natürlich hat auch mich dieser Mod dazu gebracht, Deus Ex nochmal zu installieren und von vorne anzufangen. Fertig bin ich noch nicht, kann aber schonmal ein paar andere passende Mods und Hilfsprogramme erwähnen:
- Crispy Deus Ex skaliert die Originaltexturen hoch, ohne irgendetwas am Stil zu ändern. Für die Installation werden nur ein paar Texturdateien ersetzt.
- Joe Wintergreen's Deus Ex Lipsync Mod verbessert tatsächlich die Lippensynchronisation sehr deutlich, eine einzige Datei muss ersetzt werden.
- Da die DirectX-10-Version von Deus Ex mit Proton nicht funktioniert, habe ich für den Renderer wieder auf den Enhanced OpenGL Renderer zurückgegriffen. Auch er er verbessert die Grafik, und hat anders als der DirectX-9-Renderer keine Inkompatibilitäten mit diesem Mod
- Und schließlich benutze ich Deus Exe als Starter, was auf modernen Systemen ein paar Probleme vermeiden soll, wobei das unter Proton wahrscheinlich unnötig ist.
Gerne hätte ich Lay D Denton auch mit dem Transcended-Mod kombiniert, der einige Bugs und Inkonsistenzen aus dem Originalspielt entfernt. Aber leider bin ich daran gescheitert. Zukünftige Versionen dieses Mods sollen die Kompatibilität verbessern, vielleicht gibt es auch bald eine fertige integrierte Versionen mit Transcended als Partnermod.
Outland
Wednesday, 29. September 2021
Outland ist ein nativ unter Linux laufendes Spiel, das ich mehr als Plattformer denn als Metroidvania einordnen würde.
Ihr kontrolliert eine Spielfigur, die im Laufe des kurzen Spiels immer mehr kann. Primär Springen und Angreifen, aber vor allem auch die Farbe wechseln kommt sehr schnell dazu. Ob rot oder blau gewählt ist macht dann blaue oder rote Gegner verwundbar, während die herumfliegenden Energiekugeln nur in der Gegenfarbe gefährlich sind.
So immer mehr zu können und die Spielwelt frei zu durchlaufen, wobei mit den neuen Fähigkeiten neue Gebiete freizuschalten werden, das würde zu einem Metroidvania passen. Aber in Outland wird die richtige Route immer vorgegeben. Das Spiel ist also komplett linear, selbst wenn diese Route mal wieder in vorherige Gebiete zurückführt. Wobei es sich regelmäßig lohnt, die Ecken der Karte abseits der Hauptroute abzusuchen um Upgradeschreine zu finden sowie Gold für diese einzusammeln.
Die Geschichte um mörderische Götterschwestern aus Licht und Schatten (rot und blau?) ist belanglos, sie ist klar nur dazu da die Levels etwas zu verbinden. Dafür sieht das farbenfrohe Design wirklich gut aus. Mit den Farbwechseln, den Gegnern und den vielen Energiekugeln wird Outland später schon herausfordernd, aber es fordert nur an ganz wenigen Stellen annähernd die Konzentration eines Bosskampfes bei Hollow Knight, auch die Sprungpassagen sind kürzer und einfacher. Dazu hat Sterben aufgrund der häufigen Checkpoints praktisch keine Konsequenzen.
Wer diese Art von Spielen gerne spielt kann auch Outland spielen und bekommt damit einen kurzen Lückenfüller, der die Spielzeit über durchaus Spaß macht. Denn das Leveldesign ist gelungen, es bietet immer wieder neue Herausforderungen zum Knobeln. Aber der große Wurf ist es leider nicht geworden, trotz des wirklich netten Designs. Dafür fehlt an spielerischer Tiefe und insgesamt an Atmosphäre.
Die Geschichte der Game Developers Conference
Wednesday, 22. September 2021
Jörg Langer hat eine echte Doku über die GDC gedreht:
Ich habe sie mir komplett angeschaut und sie ist wirklich gut geworden. Die Games Developer Conference ist ja die große Konferenz für Spieleentwickler, sie ist die Quelle so toller Präsentationen wie dem auch hier verlinkten Talk von Warren Spector über Deus Ex.
Aber gestartet ist die Konferenz ganz klein. Langer als Spieleredakteur war recht früh dabei und kannte viele der alten Akteure. Das ermöglichte ihm jetzt einen viel größeren Zugriff als man von einem deutschen Redakteur, der sich mal an Videodokus versucht, erwarten würde. Davon profitiert die Dokumentation enorm. Denn die redeten auch über das große Drama der Konferenz, eine Spaltung und Kommerzialisierung gegen den Willen des Hauptgründers.
Finanziert von GamersGlobal-Nutzern ist die Doku danach gefloppt, wenige Leute haben sie gesehen. Das hat sie nicht verdient, auch deswegen noch die (reichlich verspätete) Blogerwähnung hier.
Review zu Murdered: Soul Suspect
Monday, 20. September 2021
Murdered: Soul Suspect beginnt, als eigentlich alles schon vorbei ist. Der Serienmörder wirft den Polizisten Ronan, den ihr spielen werdet, durch ein Fenster und erschießt ihn. Doch er steht wieder auf – als Geist, gefangen auf der Erde im Ort Salem. Um ihr zu entfliehen muss erst der verbliebene Fall gelöst werden.
Rätseln…
Das versucht ihr dann also in den nächsten Stunden. Siebeneinhalb beschäftigte mich das Spiel, bis es komplett zu Ende war. Spielerisch gibt es dabei gar nicht so viele Elemente.
Zum einen gibt es Tatorte zu untersuchen. Es wird angezeigt wie viele Indizien es zu finden gibt, das sind dann zum Beispiel die Glassplitter des durchbrochenen Fensters oder gar die Mordwaffe, aber auch phantastischere Elemente wie verbliebene Hologramme, die ihr interpretieren müsst. Sind genug oder alle gefunden müssen in einem kleinen Puzzle die relevanten Fakten ausgewählt werden, wobei die Fragestellung dazu eingeblendet wird. Das ähnelt L.A. Noire, nur mit abschließender Faktenauswahl statt Verhören.
Als Geist sind eure Möglichkeiten abseits und während dieser Aufgaben beschränkt. Ihr könnt in Menschen hineinfliegen und ihre Gedanken lesen, an vorgegebenen Stellen durch Auswahl von vorher gefundenen Indizien ihre Gedanken beeinflussen, oder selten durch ihre Augen Indizien sehen. Katzen könnt ihr ganz steuern, das ermöglicht das Erreichen von versteckten Orten. Manchmal können Geisterweltelement eingeblendet oder entfernt werden, sodass dann neue Bereiche zugänglich werden. Und schließlich kann als Polstergeist noch Technik gestört werden, was dann z.B. Wachen ablenkt und euren Verbündeten an ihnen vorbeischleichen lässt.
Denn ganz alleine seid ihr nicht: Neben anderen Geistern können auch Medien euch sehen, Ronan wird im Laufe der Handlung mit einem Medium zusammenarbeiten. Die Gespräche zwischen den beiden sind ganz nett gemacht. Auch Ronans Hintergrundgeschichte wird im Laufe der Zeit weiter ausgebreitet, sie ist nicht umwerfend originell, aber ausreichend um das Spiel etwas auszuschmücken. Gleiches gilt auch für die Haupthandlung – den Serienmord mit seinen natürlich okkulten Elementen aufzudecken überrascht selten und ist auch nicht besonders spannend erzählt, ist aber gerade ausreichend motivierend.
…und Dämonen vermeiden
Gefahr drohte in den oben beschriebenen Spielmechaniken nicht, nur Rätsel nicht beantworten zu können wird nach drei Fehlversuchen zum Problem. Das wäre arg gemächlich, dachten sich wohl die Entwickler, und bauten noch Dämonen ein. An wenigen Stellen fliegen die auf festen Routen durch die Gegend. Ronan kann sie von hinten erwischen und dann mit einem Quicktimevent exorzieren. Verkackt ihr den oder sehen die Dämonen euch davor, muss man sich in festen Geistersilhouetten verstecken, zwischen ihnen hin- und herwechseln wenn die Gegner diese prüfen und dann abwarten, bis die Dämonen die Suche aufgeben. Scheitert das Verstecken geht es zum letzten Checkpoint.
Quicktimeevents gibt es auch wenn ihr auf einen Höllenschlund tritt. Bei einem Scheitern geht es hier direkt zurück zum letzten Checkpoint, der zum Glück meist sehr nah ist.
Diese Mechaniken empfand ich eher als nervig denn als spannend, vor allem die Dämonen. Einmal erwischt dann schon wieder warten zu müssen ist einfach nicht spaßig. Gleichzeitig sind die Quicktimeevents im Grunde zu einfach. Entweder hätte es da ein anderes Kampfsystem geben sollen, oder gar keins (ein Entdecken den direkten Tod bedeuten), oder die Dämonen einfach nicht im Spiel sein sollen.
Fazit
Das Rumwarten bei den Dämonen wird nervig, aber der Rest des Spiels nicht. Dafür ist es zu kurz und größtenteils zu kompetent gemacht, sodass es ein unterhaltsames Spiel bleibt. Nur selten funktionieren die Rätsel einfach nicht, dann ist der eine fehlende Hinweis nur durch Zufall zu entdecken. Beispielsweise muss einmal nach Entdecken von anderen Hinweisen die Gedanken eines Zeugen gelesen werden, dessen Gedanken man aber schon vorher lesen konnte und der da nur belangloses von sich gab. Darauf konnte man nicht kommen. Auch bei den in den Leveln verteilten (und belanglosen) Sammelobjekten haben die Entwickler danebengegriffen – fast in jedem Level war genau eines unauffindbar.
Die Grafik ist nicht beeindruckend, und wohl thematisch passend sind die Szenen sowieso leider immer dunkel. Dafür läuft das Spiel auch mit schwacher Hardware stabil und gut, und hässlich sieht es nun auch nicht aus.
Insgesamt wirkt Murdered: Soul Suspect (das von 2014 ist) wie eines dieser selten gewordenen Mid-Budget-Spiele. Nicht Indie, nicht AAA; nicht schlecht, aber auch nicht herausragend. Ist es per Bundle schon in der Spielesammlung ist es durchaus spielenswert, mehr noch wenn man Lust auf ein Detektivspiel hat, dann darf man sogar bei einem Sale zugreifen. Nur zu hohe Erwartungen sollte man dabei nicht haben.
Avernum 3: Ruined World, das bisher merkwürdigste gute Remake
Monday, 6. September 2021
Avernum 3 ist etwas besonderes. Es ist ein 2018 veröffentlichtes Remake eines Rollenspiels von 1997, Exile III: Ruined World. Aber es ist kein modernes Remake, sondern höchstens auf dem Stand von ~2000. Was aber ein größerer Sprung ist als es jetzt klingt, weil Exile III damals nicht sehr modern war (wobei sich die Technik damals wohl extrem schnell entwickelte). Das alles ist auch noch die Arbeit eines Mini-Entwicklerstudios, das aus einem Ehepaar besteht. Doch das Ergebnis: Ein 60 Stunden langes, spaßiges, ungeheuer klassisch und altmodisches aber doch sehr spielbares Computer-RPG.
Das Szenario
Dieses Spiel zieht viel aus seiner Story, deswegen beginnen wir am besten hier. Gleichzeitig will ich nichts spoilern. Aber Avernum 3 als dritter Teil einer Serie hat schon am Anfang so viel Stoff, um eine Geschichte ersichtlich weiter zu erzählen, dass auch ich jetzt hier genug Material haben und das kein Problem sein sollte.
Avernum ist eine Untergrundwelt. Das Imperium beherrscht die Oberwelt und verbannte alle Verbrecher, aber auch Dissidenten hierher. Nach einer Weile gründeten die ihre eigene Nation, kolonisierten die vorher von Dämonen bewohnte Höhlensysteme, und kämpften dann gegen das Imperium. Dessen finsterer Herrscher wurde bereits ermordet, der Gegenschlag abgewehrt, jetzt steht nach Jahren der Vorbereitung der nächste Schritt an: Die Oberwelt zu erforschen und einen Platz an der Oberfläche zu ergattern.
Dafür werden kleine Expeditionen ausgesendet. Der Gruppe des Spielers ist die zweite davon. Sie besteht aus vier Mitgliedern, die zu Spielbeginn erstellt oder im Standard belassen werden können. Die Klasse (grob: Krieger, Fernkämpfer, Magier, Priester) bestimmt die Startfähigkeiten, die Rasse gibt Boni – neben Menschen gibt es noch zwei Fantasierassen als Alternative.
Dass ihr die zweite Expedition seid hat einen Grund: Die erste ist spurlos verschwunden. Klar, wenn alles problemlos klappen würde gäbe es kein Spiel... Was passiert ist, sollt ihr bei der allgemeinen Erkundung am besten auch noch herausfinden. Aber bevor es an die Oberwelt geht, warum nicht erstmal im Höhlensystem bleiben? Goblins und Banditen bedrohen die Sicherheit der Expeditionsstadt, etwas Erfahrungspunkte und bessere Ausrüstung können der Mission auch nicht schaden. Diese ersten Aufgaben sind praktisch Tutorials, aber in der Unterwelt gibt es noch viel mehr zu tun wenn man will, was einen Vorgeschmack auf die Dichte des Rest des Spiels gibt.
Das Spiel
Ihr steuert also eine Vierergruppe durch diese Welt und löst Aufgaben. Dabei gibt es unterschiedliche Ebenen. Einmal die Weltkarte, auf der die Gruppe in klein herumläuft. Dort gibt es Ereignisse, die in kleinen Textboxen erzählt werden, Orte wie Dungeon und Städte, und Gegner. Bei Orten wechselt die Ebene, die Figuren werden größer und es können wie auch beim Treffen mit Gegnern rundenbasierte Kämpfe ausgetragen werden. Dabei ziehen die Spielfiguren einzeln, können angreifen oder ihre Fähigkeiten wie Zaubersprüche benutzen.
Quests und Kämpfe bringen Erfahrung, Erfahrung bringt Levelaufstiege, bei denen dann erst Attributspunkte, dann Fähigkeiten und schließlich gelegentlich moderat mächtige Perks gewählt werden können. Das muss man unbedingt nutzen um seine Charaktere zu spezialisieren. Meine Gruppe hatte zwei Nahkämpfer, Schwert und Speer, wobei der erste noch ein bisschen defensiver gebaut war, einen Priester und eine Magierin. Das ist die vorgeschlagene Standardkonfiguration. Wobei das Charaktersystem sehr frei ist, Priester wie Magier beispielsweise könnten mittels eines Perks auch Rüstung tragen und müssten dann gar nicht alternativ zur Magie auf Fernkampfwaffen zurückgreifen.
Generell geht es vor allem darum Quests zu erledigen, die sauber im Tagebuch aufgelistet werden. So wie am Anfang für den Avernum-General die Goblins und Banditen getötet werden sollen. Dabei gibt es durchaus mal Entscheidungen: Den Banditenanführer könnte man auch laufenlassen, wobei er dafür das mitgeführte Gold fordert. Diese Aufgaben führen durch das Spiel, so wie der eigene Boss anfangs auf die Oberwelt verweist, wird später von Mission zu Mission verwiesen. Gespräche gibt es also auch, sogar sehr viele davon, in denen sehr viele Informationen (manchmal repetitiv) an den Spieler getragen werden.
Dabei werden sehr oft frühere Errungenschaften beachtet: Dann greift eine Schmugglerbande nicht an, wenn die Gruppe früher mal für ihre Organisation Drogen geschmuggelt hat. Oder abgewendete Katastrophen in der einen Stadt sorgen für Respekt beim Bügermeister der nächsten Stadt. Dadurch, und weil es so viele Städte und Regionen mit jeweils eigenen Questreihen gibt, wirkt das Spiel unheimlich dicht.
Die Kämpfe sind weniger komplex. Das Magiesystem kennt Schadenszauber mit verschiedenen Elementen als Basis, Beschwörungen, Buffs und Flüche, der Priester kann zudem heilen. Die Nahkämpfer haben Spezialfähigkeiten, aber die einzige mir sinnvoll erscheinende war das Auffüllen der Aktionspunkte, wodurch er dann mehrmals angreifen kann. Magie ist für den Flächenschaden zuständig, die Kämpfer mehr zum Blockieren der Gegner, wobei ein Perk dann auch noch dafür sorgt, dass Gegner bevorzugt den Kämpfer angreifen. Wobei die Nahkämpfer gegen einzelner Gegner auch sehr gut Schaden austeilen können, sind sie ordentlich bewaffnet.
Gute Ausrüstung zu finden fühlt sich in Avernum toll an, weil das durchaus eine Weile dauert und es spürbare Unterschiede gibt. Generell ist das Fortschrittsgefühl toll, weil nach eine kurzen Weile die Anfangsgegner keine Chance mehr haben, aber immer neue Herausforderungen bereitstehen. Und das Spezialisieren der Gruppenmitglieder zum Bewältigen der vielen Kämpfe und wechselnden Gegnertypen – die auch immer wieder neue Fähigkeiten haben – macht Spaß.
Grafik und Technik
Gebaut ist das alles mit minimalen Mitteln. Oder vielleicht trifft es eher: Mit minimalem Fluff. Musik? Gibt es nur im Hauptmenü und kurz beim Betreten einer Stadt. Ah, und im Intro und Outro. Audioeffekte? Beim Drücken von Buttons, Zuschlagen und Getroffenwerden, Zaubern und wenn Gegner sterben. Animationen sind minimal, die isometrische 2D-Grafik wirkt selbst im Vergleich eines Baldur's Gate steril. Und ich meine Baldur's Gate 1, von 1998. Ausrüstungsgegenstände haben keinen Einfluss auf das Aussehen der Spielfigur. Man muss sich wirklich angucken wie Exile III damals aussah um sich zu überzeugen, dass es sich bei Avernum 3 wirklich um ein technisch modernisiertes Remake handelt. Die Engine damals war von 1995 oder älter, die des Remakes ist wohl – wahrscheinlich modernisiert, aber im Kern – von 2001. Entsprechend minimal die Hardwareanforderungen: 1,2 GHz, 512 MB Ram, 256 MB VRAM.
Andererseits haben ein paar der Zaubersprüche Effekte, die schon eher aus diesem Jahrtausend stammen. Die Welt ist riesig, die Dungeonkarten nicht zu klein und es gibt ein paar überraschend dynamische Langzeiteffekte. Wie Städte, die zerstört werden können. Oder Kleinigkeiten wie Mauern, die eingerissen werden können. Das reduzierte Interface und ein paar der Tastenkürzel wirken auch weniger altbacken.
Aber getragen wird das Spiel klar von der Größe der Spielwelt, der Anzahl der Quests, dem Rollenspiel, der Story und auch der Kämpfe, nicht von der Technik.
Bedienung
Die Bedienung ist eine wilde Mischung. Teilweise sind Spielelemente und damit ihre Bedienung hoffnungslos veraltet: So hat jeder Charakter sein eigenes Inventar, das aber hat kein Gewichtslimit, was einfach nur zu dadurch noch unnötiger wirkendem Inventarmanagement zwingt. Und herumliegende Gegenstände sammelt man mit einem Druck auf G, während F den Kampfmodus beendet, was bei Kämpfen auf der Weltkarte zurück zur Weltkarte führt und die Gegenstände verschwinden lässt. So praktisch wie fehleranfällig!
Manche der altmodischen Eigenheiten entpuppen sich aber als ziemlich nett. So können Angriffe wie Zaubersprüche immer auch mit der Tastatur statt der Maus ausgelöst werden. Ist die Magierin am Zug drücke ich M, um das Magiemenü zu öffnen, A um den Feuerball auszuwählen, dann nochmal A oder B oder C oder … um einem der entsprechend markierten Gegner mit dem Feuerball Schaden zuzufügen. Es ginge auch mit der Maus, die Menüs sind nichtmal schlecht, aber mit der Tastatur geht es eben schneller.
Und dann gibt es auch immer wieder Elemente, die ich als modern wahrnehme. Wie einen eigenen, unbegrenzt großen Ablageort im Inventar für zu verkaufende Gegenstände. Die Weltkarte hat Questmarker, echte Questmarker! Und in jedem Textfeld gibt es einen Knopf, um den Gesprächsabschnitt permanent ins Tagebuch zu übertragen und so nachlesbar zu machen, was man dank der guten Spielerführung aber relativ selten braucht. In den Ladebildschirmen werden großzügige Tipps zum Spiel präsentiert, bei den ersten Kämpfen erklärt ein Overlay die Bedienung. Es gibt eine Automap. F1 öffnet sogar ein ziemlich umfangreiches Kompendium, das weitere Spielemente erklärt.
Mit einem wirklich alten CRPG hätte ich zu kämpfen, aber mit dieser Mischung kam ich dank der gegebenen Hilfen gut zurecht. Es ist deutlich zu spüren, wie wichtig es dem Entwickler war neuen Spielern eine faire Chance zu geben.
Fazit
Wer wie ich die wirklich alten Computerrollenspiele verpasst hat, der kann mit dem ihnen angelehnten Avernum 3 trotzdem viel Spaß haben. Es fühlt sich an, als könnte man alles was man beim CRPG-Addict aufgeschnappt hat einmal selbst anwenden. Wobei man da aufpassen muss: Mir war schnell die Geschichte völlig klar, als ob ich bei ihm ein Review des Originals gelesen hätte. Das findet sich aber in dem Blog nicht. Ob Exile III und damit Avernum 3 da fröhlich Storyelement von Ultima oder anderen Spieleserien übernommen hat, wie die magieablehnende Sekte, die ich nur aus dem Blog kenne? Oder hatte ich irgendwo anders mal eine Zusammenfassung gelesen und mir damit viel der Handlung gespoilert? Doch das dürfte eine sehr individuelle Vorbedingungen gewesen sein.
So erkenne ich auch ein paar Designentscheidungen von Diskussionen über alte CRPGs wieder. Wie Trainer, die gegen Gold Skills steigern und Zaubersprüche lehren. In Mauern versteckte Schalter. Events, die in Text statt in Grafik beschrieben werden. Oder die vielen in der Welt verteilten Items, die der Spieler zwar aufsammeln kann, die aber keine Funktion haben. Kessel zum Beispiel, die haben nichtmal einen Verkaufswert. Andere haben wenigstens geringen Wert, wie Kristalle oder Lederhosen. Aber ganz selten werden einige wenige sogar für Quests gebraucht, so will einmal ein Bürgermeister drei gewöhnliche Marmorstatuen. Was mich dazu brachte, von allen Deko-Gegenständen wenigstens ein paar zu sammeln, die dann natürlich nie gebraucht wurden. Woher soll der Spieler das wissen? Manchmal schlägt das altmodische Spieldesign negativ durch.
Ansonsten ist dann doch soweit modernisiert, dass man mit ihm trotz der fehlenden Erfahrung mit dem Original zurechtkommt. Modernisiert ist dabei zwar keinesfalls modern, wie klargeworden sein sollte. Aber könnte ansonsten ein Indiespiel eine 60-stündige Rollenspielgeschichte mit einer so riesigen Welt aufziehen? Ich bezweifel es. Insgesamt fand ich Gefallen an diesem klassischen CRPG, schätzte die moderneren Elemente und hatte viel Spaß meine Gruppe stärker werden zu sehen sowie nach und nach die Quests in dieser neuen Welt zu lösen.
Ich habe Avernum 3 dabei keinesfalls zu 100% durchgespielt, aber doch 65 Stunden gebraucht um die Hauptstory und viele Nebenquests zu erleben. Es läuft perfekt mit Proton unter Linux.
Der Entwickler hat noch ein paar Tage einen Kickstarter für den zweiten Teil einer neuen Spieleserie am Laufen, Queen's Wish 2: The Tormentor. Hört sich sehr anders, aber auch durchaus interessant an.
Der große Unterschied zwischen Deus Ex 1 und Human Revolution/Mankind Divided
Monday, 23. August 2021
Der große Unterschied zwischen dem originalen Deus Ex und seinen Prequels ist nicht die Grafik, zumindest meine ich die hier nicht. Es sind auch nicht die modernisierten Spielmechaniken. Sondern es ist die Konsistenz der Story, welche Geschichte erzählt und wie sorgsam die Welt mit den Hintergrundinformationen aufgebaut wird.
Leichte Spoilerwarnung.
Die Story in DX1
Das erste Deus Ex ist eine Cyberpunk- und Verschwörungstheoriegeschichte. Auf der einen Seite ist da der Transhumanismusaspekt: JC Denton ist nicht einfach ein Agent, er ist ein Agent mit Nanoaugmentierungen. Noch dazu einer der ersten, genetisch dafür befähigt. Das wird im Spiel für viele Spielmechaniken genutzt, aber es ist auch ein Aspekt der Story.
Allerdings ist es der kleinere Aspekt der Story. Das übergeordnete Thema sind die Verschwörungstheorien der Neunziger. Das steht nicht im Gegensatz zu Cyberpunk, sondern ist ganz im Gegenteil elementarer Bestandteil des Genres. Die große technikgestützte Verschwörung findet sich zum Beispiel bei so prominenten Genrevertretern wie Neal Stephensons Snow Crash.
DX1 nimmt diese Verschwörungstheorien und lässt sie alle wahr werden. Viren aus dem Labor, die von den Illuminati zur Machtergreifung genutzt werden, gestützt von den Notstandsgesetzen der FEMA und absoluter Internetüberwachung – und das sind nur die Elemente aus dem Intro. Wie sich Menschen in einer solchen Welt verhalten würden, wie der Spieler sich verhalten muss, das wird dann zum Hauptthema des Spiels.
Die Story in HR/MD
Human Revolution und Mankind Divided wurden viele Jahre nach DX1 veröffentlicht, natürlich ist dann spielerisch vieles anders. Dass sie trotzdem das Gefühl vermitteln, Deus-Ex-Spiele zu sein, war ihre große Leistung. Aber die aufgebaute Welt und wie die Story funktioniert ist tatsächlich sehr anders.
Wieder ist es Cyberpunk mit Verschwörungstheorien als Träger der Handlung, aber der Fokus der Geschichte liegt da nicht. Sondern er liegt auf Rassismus. Augmentierung und der Rassismus gegen Cyborgs ist das einzige Thema, das neben den Spielereignissen in den Nachrichten vorkommt, es ist selbst worüber die Leute auf der Straße reden. Die (mechanisch) augmentierten werden diskriminiert und gefürchtet, was in HR sogar Motivation des Antagonisten ist sie zu vernichten. Während es bei DX1 bei der Verschwörung um die Gesellschaft und Politik ging, oder kurz um Macht, wird sie bei den Nachfolgern vermischt mit dieser Rassismus-Einordnung.
Das macht alles aber leider viel uninteressanter. Rassismus mag ein bestimmendes Thema in den USA sein, aber er hat keine verschiedenen validen Seiten. Es ist einfach ein zu lösendes Problem. Während man bei DX1 noch mit den verschiedenen Gesellschaftssystemen sympathisieren oder zumindest ihre Auswirkungen durchdenken konnte, geht es vor allem bei MD mehr darum eine Parabel zu erzählen. Die dann soweit geht, dass in Mankind Divided im wesentlichen ein Nazi-Konzentrationscamp besucht wird. Die Botschaft wird mit Holzhammer transportiert, was wenig ansprechend ist selbst wenn man ihren Inhalt wertschätzt.
Die gescheiterte Konsistenz
Drei statt zwei Hauptthemen in eine Geschichte zu packen macht die Sache nicht einfacher. Die beiden moderneren Spielen machen dabei viel sehr gut, vor allem füllen sie ihr Universum dicht mit Hintergrundinformationen. Das blendet, HR und MD wirken beide beim Spielen überzeugend. Doch bei all der Arbeit haben es die Entwickler übersehen, dass ihr Kernszenario blödsinnig ist. Und so unrealistisch DX1 mit seinen Nanoaugmentierungen und Roswell-Aliens auch gewesen sein mag: Es erzählte immer eine konsistente und folgerichtige Geschichte, wovon später keine Rede mehr sein kann.
In Deus Ex 1 sind Augmentierungen selten. Sie sind kaum ein Thema in den Gesprächen mit der Bevölkerung oder in den Nachrichten, da geht es stattdessen um den Virus und die politische Krise. Mechanische Augmentierungen (und die neue Nanotechnologie) ist dem Militär vorbehalten. Das passt: Niemand würde sich in echt die Beine abhacken, um sich danach mechanische einzusetzen. Oder Hände, die dann zwar schneller und stärker greifen, aber die nicht fühlen. Günther Hermann und Anna Navarre, die Kollegen-Cyborgs der Unatco, werden im Spiel explizit als außergewöhnliche Menschen präsentiert, die große Opfer gebracht haben.
Nicht so in HR/MD, obwohl beide Spiele weit vor DX1 und in einer sehr nahen Zukunft spielen. Hier sind Augmentierungen allgegenwärtig. Überall in der Spielwelt laufen Leute mit mechanischen Körperteilen herum. Es sei sogar ein Problem, wird erzählt, dass Nicht-Augmentierte keine Jobchancen mehr haben. Und man sieht Straßengangs, die sich mechanische Körperteile zusammenstehlen und einsetzen. Und all das, obwohl – und hier wird es komplett affig – mechanische Augmentierung in diesem Universum die regelmäßige Einnahme eines sehr teuren Medikaments brauchen, um nicht vom Körper abgestoßen zu werden.
Superteures Medikament als Abhängigkeit geht natürlich überhaupt nicht zusammen mit den Millionen von Cyborgs und der postulierten Zwang zur Mechanisierung der einfachen Arbeiterschaft. Stattdessen gibt es sogar Cyborg-Prostituierte als Storyelement! Denn die Spiele bemerken und adressieren dieses Problem nicht. In einer solchen Welt wären cybernetische Modifikationen außergewöhnlich selten: Das Militär würde sie Soldaten aufzwingen, die kapitalistische Elite könnte sich vielleicht bestimmte ihnen nützliche erlauben, und versehrte Menschen würden – wenn finanzierbar – Defekte beheben. Aber das wars, es wäre ein Nischenthema, nicht der allesbestimmende politische Diskurs der in den Spielen gezeigt wird. Aber HR/MD fehlt dafür die Selbstreflexion.
Und deswegen funktioniert die "Alle Verschwörungstheorien sind wahr"-Welt mit der ihr eigenen Konsistenz in DX1, während die "Jeder zweite hackt sich freiwillig Körperteile ab, macht sich von einer Droge abhängig und wird danach leider diskriminiert"-Geschichte in HR/MD nicht im Ansatz glaubwürdig ist.
Zusammenfassung
Ja, auch die Variante in HR/MD kann Cyberpunk sein, aber dieses Gore-Cyberpunk ist eine sehr andere Ausprägung des Genres. Ausgestaltet ist die Geschichte in den beiden neueren Spielen leider schwach, die Hintergrundgeschichte macht aufgrund der inneren Widersprüche überhaupt keinen Sinn. Das ist erstmal okay, weil man es beim Spielen nicht direkt merkt. Und vielleicht ist es auch okay, weil die Story keine intellektuelle Cyberpunk-Geschichte sein will, sondern eine überzeugende Anti-Rassismus-Parabel.
Den Spielen hätte es aber doch gutgetan, wenn die Nachfolger sich mehr an die Struktur des Vorgängers gehalten hätten. Die ist zwar auch unrealistisch, aber in sich konsistent und eine nur leicht verzerrte Zukunftsvision unserer Welt. Über und mit Verschwörungstheorien als Hauptfokus ließen sich noch viele weitere gute Geschichten erzählen, Politik und Macht wird als Thema auch nie langweilig werden. Stattdessen Rassismus zu thematisieren hat sicher seinen Platz, seinen Wert und seine Berechtigung, aber so wie es hier gemacht wurde übersetzt sich das nicht in eine überzeugende Geschichte. Und genau da liegt für mich der Unterschied zwischen Original und Prequels: Wie stimmig, überzeugend und konsistent das aufgebaute Universum ist.